Die Presse (A), 05.10.2000 Armenien-Genozid belastet Ankaras Beziehung zu den USA Von unserem Korrespondenten JAN KEETMAN ISTANBUL/WASHINGTON. Die Beziehungen zwischen den USA und deren Nato-Verbündetem Türkei stehen vor einer schweren Belastungsprobe. Der Ausschuß für internationale Beziehungen im US-Repräsentanten hat mit 24 zu elf Stimmen eine Resolution angenommen, die den Türken vorwirft, 1915 mit der "systematischen und bewußten Vernichtung von 1,5 Millionen Armeniern Völkermord" begangen zu haben. Warnungen des Weißen Hauses, die Entschließung könne zu Friktionen mit Ankara führen, blieben ungehört. Der Antrag wird nun dem Plenum des Repräsentantenhauses vorgelegt. Die Türkei, die den Völkermord an den Armeniern bestreitet, hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Resolution zu verhindern. Zuletzt hatte das türkische Parlament in einer gemeinsamen Erklärung eindeutige Warnungen ausgestoßen. Wie die Türkei, sofern sie sich traut, US-Interessen schaden könnte, liegt auf der Hand. Da ist zunächst einmal die Irak-Politik: Die Türkei erwägt die Entsendung eines Botschafters nach Bagdad. Theoretisch könnte Ankara auch ein Verbot für die Nutzung des Luftwaffenstützpunktes Inçirlik aussprechen. Von dort aus starten die USA und Großbritannien Kontrollflüge über Nordirak. Auch in der Zypernfrage könnten die Türken die Daumenschrauben anziehen. Die USA hätten den Konflikt um die geteilte Mittelmeerinsel gerne vom Tisch, doch das ginge nur, wenn Ankara von einer Zweistaatenlösung Abstand nimmt. Druck läßt sich hier leicht ausüben: Man bräuchte den Nato-Partner nicht aktiv zu brüskieren, sondern müßte nur alles beim alten lassen. Drohungen gegen Jerewan Doch nicht nur gegen die USA hat Ankara schweres Geschütz in Stellung gebracht, auch gegen den drei Millionen Einwohner zählenden Nachbarn Armenien. Wegen des Karabach-Konfliktes und der Besetzung eines Teiles Aserbaidschans hat die Türkei ein Embargo gegen Armenien verhängt. Als Geste des guten Willens hat Ankara jedoch einen Luftkorridor für Armenien geöffnet. Diesen droht es nun zu schließen. Dabei kann Ankara Jerewan feindseliges Verhalten vorwerfen. Zwar wurde die Erwähnung des Völkermordes aus der armenischen Verfassung gestrichen, worauf Ankara den Luftkorridor öffnete; doch definitiv hat Armenien noch nicht Abschied genommen von territorialen Forderungen betreffend einige Provinzen im Nordosten der Türkei. So wurmt es die Türken, daß die Armenier den Ararat in ihrer Fahne haben, obwohl dieser Berg eindeutig innerhalb der Grenzen der Türkei liegt. Gewitzte Armenier wehren sich mit dem Argument, daß ja die Türkei auch den Mond in ihrer Fahne habe. |