web de 07.10.2000 19:20 Unruhen in Israel greifen auf Libanon über Hisbollah entführt drei israelische Soldaten - Palästinenser überfallen Josefsgrab in Nablus Jerusalem (AP) Die Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern haben am Samstag auf die libanesische Grenze übergegriffen. Kämpfer der fundamentalitischen Organisation Hisbollah entführten dort drei israelische Soldaten, wie die Behörden bestätigten. Zuvor hatten mehrere hundert libanesische Demonstranten versucht, den Grenzzaun zu Israel zu durchbrechen. Ministerpräsident Ehud Barak kündigte an, nach der Ausweitung des Konflikts hart durchzugreifen. In Nablus im Westjordanland stürmten Palästinenser das Grabmal Josefs, zündeten Teile des Heiligtums an und zerrissen Gebetsbücher. Nur wenige Stunden zuvor hatten sich die israelischen Soldaten von dem Grabmal zurückgezogen. An der Grenze zu Libanon schossen israelische Soldaten auf eine Gruppe von Palästinensern, die gegen Israel demonstrierte. Bei den Auseinandersetzungen wurden ein Demonstrant getötet und mindestens 14 weitere verletzt, wie libanesische Sicherheitskräfte berichteten. Die Hisbollah antworteten mit Raketen. Es war der erste Raketenangriff der Hisbollah seit dem israelischen Abzug aus Südlibanon im Mai. Nach der Entführung der Soldaten beschossen israelische Kampfhubschrauber das Gebiet. Sie trafen ein Auto und verletzten die vier libanesischen Insassen. Die palästinensische Polizei hatte das Josefsgrab zunächst gesichert. Als sich immer mehr Menschen versammelten, um den Abzug der israelischen Soldaten zu feiern, kletterten dutzende Palästinenser über die Mauer. Die israelischen Soldaten, die das Grabmal beschützen sollten, waren vor Morgengrauen abgezogen; es war das erste Mal, dass Israel als direkte Reaktion auf palästinensische Gewalttaten Gelände aufgab. In einer Erklärung der Armee hieß es, der Ort sei im Vertrauen darauf geräumt worden, dass die palästinensische Autonomiebehörde ihn schützen werde. Barak forderte nach einer Sondersitzung des Kabinetts Syrien und Libanon auf, die Feindseligkeiten an der Grenze zu beenden und ihren Einfluss geltend zu machen. Er erklärte, er werde alles tun, um die Verhandlungen mit den Palästinensern wieder aufzunehmen. Er sei sich jedoch nicht mehr sicher, dass der palästinensische Präsident Jassir Arafat der richtige Partner sei. «Wenn es sein muss, kämpften wir an zwei Fronten», sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Ephraim Sneh. Eine Sprecherin der palästinensischen Autonomiebehörde, Hanan Aschrawi, wertete die Räumung des Josefsgrab als positives Zeichen für den Friedensprozess. Auch Arafat lobte die Entscheidung Baraks, die Soldaten von dem Grabmal abzuziehen. Kabinettsminister zeigten sich jedoch verärgert über Arafat, der das Grabmal nicht geschützt habe. «Er kann nicht Krieg und Frieden zur selben Zeit haben», sagte der ehemalige Ministerpräsident Schimon Peres. Arafat warf Israel in Formentor auf Mallorca vor, die Welle der Gewalt provoziert zu haben, um so Zugeständnisse im Friedensprozess zu erpressen. Die israelische Regierung habe den Besuch des rechtsgerichteten Oppositionspolitikers Ariel Scharon am Grabmal trotz Warnungen erlaubt. Weiter forderte er die internationale Gemeinschaft auf, sich stärker für ein Ende der Gewalt im Nahen Osten einzusetzen. In New York konnte sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht über eine Resolution zu den blutigen Ausschreitungen einigen. Die EU verurteilte in einer Stellungnahme den Überfall auf das Grabmal Josefs und zeigte sich besorgt über die anhaltende Gewalt.
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