Südwest Presse, 07.10.2000

Kirchenasyl / Familie droht Abschiebung

Wie im Gefängnis, nur ohne Gitter Salesianerpatres geben Kurden Schutz

¸¸Es ist wie in einem Gefängnis, nur ohne Gitter'', sagt Ali Sakiz. Der 35 Jahre alte Kurde lebt mit seiner Frau und drei kleinen Kindern seit zwei Jahren in einem ökumenischen Kirchenasyl.

DIETER FRAUENHEIM

Furtwangen· Im Don-Bosco-Heim der Salesianer am Rande von Furtwangen wohnen Studenten, Lehrlinge und auch Sportler des Skiinternates, dessen prominentester Schüler Martin Schmitt war, Weltcupsieger im Skispringen. Das Heim ist seit zwei Jahren aber auch Herberge für die aus fünf Personen bestehende kurdische Familie Sakiz, deren Asylantrag abgelehnt wurde.

¸¸Es ist das bisher wohl längste Kirchenasyl einer von der Abschiebung bedrohten Familie'', stellt der evangelische Pfarrer Lutz Bauer fest. Am 14. Oktober 1998 ist Ali Sakiz mit seiner Frau und seinen drei Töchtern eingezogen, nachdem Vertreter aller örtlichen Kirchen dem ökumenischen Kirchenasyl zugestimmt hatten. Die Salesianer-Patres stellten in ihrem Wohnheim zwei kleine Internatszimmer zur Verfügung. Frau Sakiz kocht in einer Gemeinschaftsküche, ihr Mann ist zur Untätigkeit verbannt. Nur die inzwischen drei, sechs und elf Jahre alten Mädchen toben unbekümmert durch die Gänge. Manchmal spielt die elfjährige Güljen auf der Gitarre. Weil die Behörden großzügig sind, kann sie die dritte Klasse der Volksschule besuchen. Ihre Schwester Nazan (6) geht in den Kindergarten.

Ali Sakiz und seine Frau dürfen das Heim offiziell nicht verlassen. Die Polizei kontrolliert nicht. ¸¸Wir sind aber vorsichtig'', sagt Pfarrer Bauer. Mit den Sakiz hat er deshalb auch schon die Flucht aus ihren Zimmern über einen Verbindungsgang in die direkt ans Heim angebaute Kirche der Salesianer geprobt. Nur dort ist die Familie hundertprozentig vor einem Zugriff gesichert. Um die kurdische Familie kümmert sich eine Gruppe von 40 Personen. Sie haben eine Betreuung rund um die Uhr übernommen. Selbst das Einkaufen gehört dazu. 1500 Mark werden pro Monat zur Versorgung der Familie benötigt. Das Geld wird von Privatleuten und den Kirchen gespendet. In dieser Woche hat das Verwaltungsgericht Freiburg erneut einen weiteren Aufenthalt der Familie abgelehnt.

Von der Polizei misshandelt

Ali Sakiz hatte sein Heimatdorf Kücüküngüt in Kurdistan verlassen, um nicht als ausgebildeter Soldat gegen die PKK und damit gegen Landsleute kämpfen zu müssen. Er ging in die Schweiz und wurde ausgewiesen. Nach seiner Rückkehr wurde er in einer Istanbuler Polizeistation brutal niedergeschlagen. Der gefolterte Familienvater wachte erst in einem Militärhospital wieder auf. 1995 floh er nach seiner Freilassung zu seiner Familie, die vor ihm in die Bundesrepublik gekommen war. In Furtwangen arbeitete Ali Sakiz bis zur Ablehnung seines Asylantrages bei einer Reinigungsfirma.

Die Freiburger Richter bezweifeln die Angaben von Sakiz über seine Folterungen. Außerdem gehen sie davon aus, dass nach einer Abschiebung in die Türkei nur Personen gefährdet sind, die sich danach ¸¸explizit für die kurdische Sache'' einsetzen. ¸¸Ich habe einfach Angst'', sagt Ali Sakiz.

INFO Zurzeit leben in Baden-Württemberg 33 Personen im Kirchenasyl: in Tübingen (5), in Bad Schussenried (5), in Hausen im Wiesental (4), in Furtwangen (5),in Baden-Baden (5), in Dornhahn (4) und in Fellbach (5). 1999 wurden 2184 Personen und in diesem Jahr bis Ende Juni 1858 abgelehnte Asylbewerber abgeschoben.