Süddeutsche Zeitung, 09.10.2000 Klagen über den "sinnlosen Krieg" Tomer kann dem Leben im Moment nichts abgewinnen: "Ich habe den miserabelsten Job der Welt." Tomer ist 19 Jahre alt und Soldat, allerdings an einem der absurdesten Orte auf der Westbank - in Hebron. Der Junge aus Tel Aviv steht schwer bewaffnet an einen Olivenbaum gelehnt neben einer Schranke, die er dann und wann öffnet. Für den Wasserwagen aus Jerusalem etwa, der den acht Familien in Tel Rumeida die Duschtanks auffüllt. Die jüdischen Familien, die aus Brooklyn stammen und kaum Hebräisch sprechen, leben in Wohncontainern. Zwischen ihren Blechhütten haben sie einen Spielplatz errichtet für ihre Kinder, die nur auf diesen 30 Quadratmetern toben können, nicht aber jenseits von Stacheldraht und Betonmauer. Denn da draußen, sagt auch Tomer, "ist Krieg". 450 Juden haben sich in Hebron niedergelassen - inmitten von 120 000 Palästinensern. In den Berichten über die Unruhen taucht Hebron immer wieder auf. Man sieht Bilder israelischer Soldaten, wie sie sich in der verbarrikadierten Altstadt mit Schüssen wehren gegen Steine und Brandsätze der Palästinenser. Einer dieser Soldaten ist Tomer: "Ich versuche, daneben zu schießen", sagt Tomer, obwohl ihn diese Aussage ins Gefängnis bringen kann. "Siedler sollten abziehen Er hat es satt, "diese verrückten Siedler zu schützen. Warum befiehlt (Israels Ministerpräsident) Barak denen nicht, hier abzuhauen, Juden haben hier nichts zu suchen!" Dem Frieden zuliebe und um Geld "nicht sinnlos zu verschwenden" sollten die Siedler aus Hebron abziehen. Rund um die Uhr werden sie von 2000 Soldaten, 180 internationalen Beobachtern, Elektrozäunen und Videokameras geschützt. Das kostet Israel jährlich sechs Millionen Mark. Tomer darf eigentlich nicht mit Journalisten sprechen, aber er findet es "wichtig, dass die Welt erfährt, dass die meisten israelischen Soldaten Frieden wollen und keinen Krieg". Auch Itay hasst seinen Job. Er ist 19 und einer der Soldaten, die in dem israelischen Stützpunkt nahe Netzarim in Gaza ihren Wehrdienst absolvieren. Seit elf Tagen wird der Stützpunkt von palästinensischen Jugendlichen attackiert: "Die reinste Hölle", sagt Itay. Die Wut wundert ihn nicht: "Wir haben in Gaza nichts verloren", sagt er. In dem schmalen Streifen Land leben 6000 rechtsextreme Juden unter 1,3 Millionen Palästinensern. Israelische Soldaten sind im autonomen Gaza nur wegen dieser 6000 Siedler da, unfreiwillig: "Wenn wir uns ganz aus Gaza und der Westbank zurückziehen würden, könnten zwei Staaten miteinander Frieden suchen und die Palästinenser nicht mehr behaupten, wir unterdrücken sie", sagt Itay. Auch wer - von der Armee übrigens nicht genehmigte - Gespräche mit Soldaten in Nablus führt, hört Klagen über den "sinnlosen Krieg". Nablus ist palästinensisches Autonomiegebiet. Mitten im Zentrum liegt das Josefsgrab, das bis zum Samstag von israelischen Soldaten geschützt wurde. Schai ist 19 und schob dort Dienst. "Der Welt" wollte er am Freitag noch sagen, dass er, "wenn ich könnte, sofort abhauen würde". Es sei "provokativ", inmitten von Palästinensern ein Grab zu schützen. Ein paar Stunden später ging Schais Wunsch in Erfüllung: Generalstabschef Schaul Mofaz ließ die Grabstelle räumen. Wenig später wurde sie von palästinensischen Jugendlichen zerstört. Thorsten Schmitz |