Frankfurter Rundschau, 10.10.2000 Beim Ausweisen kennen die Bundesgrenzschützer keinen Spaß Eine Karikatur auf dem Umschlag brachte einen Somalier um seinen Pass / Pro Asyl: "Bürokratisches Räderwerk" Von Yvonne Holl (Frankfurt a. M.) Das Ausweisen ist eine ernste Sache. Das musste auch ein somalischer Flüchtling erleben, der seinen Pass mit einer Karikatur zum Thema beklebt hatte. Bundesgrenzschützer werteten den Spaß als unbefugte Veränderung des Dokuments und zogen den Ausweis ein. Bis heute wartet der Somalier vergeblich um die Rückgabe. Aus Scherz wurde schnell Ernst, als zwei Bundesgrenzschutzbeamte im März einen Somalier auf dem Bahnhof Hamm nach seinem Ausweis fragten. Kein Problem, dachte sich der 27-jährige Student Ahmad Ismael (Name von der Red. geändert) und hat heimlich vielleicht geschmunzelt, als er seinen Flüchtlingspass vorzeigte. Denn auf dem blauen Umschlag klebte, mit Tesafilm befestigt, eine doppelsinnige Karikatur des Zeichners Gerhard Mester zum Stichwort Ausweisen. Ein bisschen "beamtete Selbstironie" und die Aufforderung, die Karikatur zu entfernen, wäre als Reaktion angemessen gewesen, urteilt Heiko Kauffmann, Sprecher von Pro Asyl. Die Flüchtlings-Hilfsorganisation hatte die Mester-Zeichnung vor acht Jahren publiziert. Doch die Beamten, offenbar pikiert, setzten "das bürokratische Räderwerk" (Kauffmann) in Bewegung. Sie zogen den Ausweis in Berufung auf das Passgesetz ein, demzufolge "unbefugte Veränderungen" das Dokument ungültig machen können. Das gilt in der Regel, wenn die Änderungen nicht rückgängig gemacht werden können. Mit solchen Fällen hat die Kreisverwaltung Coesfeld, wo Ismael gemeldet ist, häufiger zu tun: "Die Leute schütten Kaffee auf ihre Ausweise oder schreiben Telefonnummern drauf, weil sie gerade keinen Zettel haben", sagt Pressesprecher Alois Bosman und kennt auch unbürokratische Auswege: "Das ist ja nicht so schlimm, wenn mit Bleistift geschrieben wurde, dann kann man es wieder wegradieren." So ähnlich hatte sich Ismael das auch vorgestellt. "Den Tesa kann man ja wieder abziehen", dachte er. Nein, kann man nicht, jedenfalls nicht, ohne den Pass zu beschädigen, urteilte der BGS. Die Ausländerbehörde des Kreises Coesfeld sah das auch so, dem Pass-Bekleber Ismael wurde als Ersatzpapier eine abgestempelte Bestätigung seiner Aufenthaltsbefugnis ausgestellt. Der Haken an dem Ersatz: Mit ihm kann Ismael Deutschland nicht verlassen. Seinen geplanten Dänemark-Urlaub musste er absagen. Der Student verstand den Wirbel nicht und nahm sich einen Anwalt. Jurist Helmut Budde legte Widerspruch ein und schlug den Behörden vor, ihm den Pass zu treuen Händen zur Verfügung zu stellen. "Ich hätte dann die Klebestreifen beseitigt, ohne dass das Reisedokument beschädigt wird", so Budde. Das war Ende März. Auf Buddes Vorschlag ging die Behörde nicht ein. Stattdessen schlug sie nach Angaben des Anwalts vor, einen neuen Pass auszustellen, wenn der Student seinen Widerspruch zurückzieht. "Ich weiß schon, wie die einen neuen Pass herstellen würden", sagt Budde. "Die machen vom alten Pass die Karikatur ab und fertig." Er lehnte den Vorschlag ab, denn sonst würde Ismael auf den Kosten sitzen bleiben. Seit Monaten wartet die Sache nun auf Entscheidung, inzwischen beim für den Widerspruch zuständigen Regierungspräsidium Münster. Doch auch das gibt sich unnachgiebig. Kürzlich empfahl die Behörde Ismael, einen neuen Ausweis zu beantragen. "Wir wollen dem alten Vorurteil entgegenwirken, dass die Mühlen der Behörden langsam mahlen", erklärt Pressesprecher Cord Witkowski. "Uns liegt daran, dass der Fall schnell erledigt wird." |