Süddeutsche Zeitung, 10.10.2000 Schily will NPD-Verbot beantragen Innenminister befürwortet gemeinsames Ersuchen von Bundesregierung, Bundestag und Bundesländern / Von Christiane Schlötzer Berlin - Die Bundesregierung, die Bundesländer und der Bundestag sollen nach dem Wunsch von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gemeinsam ein Verbot der rechtsextremistischen NPD beim Bundesverfassungsgericht beantragen. Nach Beratungen mit mehreren Länderkollegen sagte Schily in Berlin, ein Verbotsantrag sei "gerechtfertigt". Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sagte, die NPD habe sich seit 1990 deutlich radikalisiert. Man werde den übrigen Länderkollegen "einen Verbotsantrag empfehlen". Schily, Beckstein und die Innenminister aus Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, Manfred Püchel und und Heiner Bartling (beide SPD), hatten zuvor Material von Verfassungsschützern aus den verschiedenen Ländern gesichtet. Berichte, im Kreis der Verfassungsexperten überwiege die Skepsis gegenüber einem Verbotsantrag, wies Schily zurück. Beckstein sagte, die Begründung des Antrags werde wahrscheinlich "mehrere hundert Seiten umfassen". Das Verbot war erstmals Anfang August von Beckstein verlangt worden. Vorausgegangen war eine Serie von Gewalttaten gegen Ausländer, Obdachlose und Bürger jüdischen Glaubens. Mehrere Länder hatten sich danach zunächst skeptisch über die Chancen eines Verbots geäußert. In seinem Urteil zum Verbot der KPD hat das Verfassungsgericht 1956 festgestellt, dass ein Verbot nur zu rechtfertigen sei, wenn eine Partei eine aggressiv kämpferische Haltung gegenüber der demokratischen Grundordnung einnehme. Beckstein hielt der NPD vor, sie rühme sich selbst als "Marktführer" im Lager der Rechtsextremen, zeige eine nationalsozialistische Haltung, sei antisemitisch und fremdenfeindlich. Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD), derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz, konnte an dem Treffen in Berlin nicht teilnehmen. Er bleibt auch bei seiner Skepsis gegenüber einem Verbotsantrag, will eine gemeinsame Initiative aber mittragen. Schily betonte, dass es wichtig sei, dass Bund und Länder gemeinsam vorgingen. Deshalb sollten die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat jeweils einen Verbotsantrag stellen, dessen Begründung sich gleichen könne. Damit werde die "Nachdrücklichkeit" des Anliegens dokumentiert. Die Bundesregierung will durch die demonstrative Gemeinsamkeit der drei Verfassungsorgane aber offenbar auch verhindern, dass bei einem Scheitern des Verbotsantrags die Verantwortung allein auf den Bund geschoben werden könnte. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, hat sich ebenfalls für ein NPD-Verbot ausgesprochen. Wiefelspütz empfahl, auch die rechtsextreme DVU des Münchner Verlegers Gerhard Frey genauer unter die Lupe zu nehmen. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, nannte die Prüfung des NPD-Verbots richtig. Die Wirkung eines Verbots werde "jedoch massiv überschätzt", meinte Beck. Er warnte davor, die DVU könnte ein Verbot der NPD "propagandistisch nutzen". |