taz, 11.10.2000 Israel verlängert Ultimatum an Arafat Eine Einheitsregierung unter Einschluss der israelischen Opposition ist vorerst gescheitert. Die arabischen Länder warnen Israel vor Angriffen aus Jerusalem SUSANNE KNAUL Die israelische Regierung ist mit ihrem Versuch gescheitert, eine breite politische Basis unter Einschluss der Opposition zu bilden. Nach einem Unentschieden in der parlamentarischen Kommission, die über einen Gesetzentwurf zur Auflösung der Knesset, des israelischen Parlaments, entscheiden sollte, wird der Entwurf zur ersten Lesung den Abgeordneten vorgelegt werden. "Wir werden jeden Schritt unterstützen, die Regierung zu stürzen", meinte jedoch die Likud-Abgeordnete Limor Livnat. Auch Oppositionsführer Ariel Scharon erklärte gestern, dass der Likud "diese Regierung nicht unterstützt", da diese die derzeitige Situation zu verantworten habe. Damit rückt die Möglichkeit einer nationalen Einheitsregierung erneut in die Ferne. Israels Ministerpräsident Ehud Barak hatte mit dem Ziel einer Notstandsregierung in den vergangenen Tagen Kontakte zu den Chefs der Oppositionsparteien unterhalten. Friedensaktivisten warnten unterdessen, dass eine Koalition unter Einbezug von Ariel Scharon, der mit seinem Besuch auf dem Tempelberg die Unruhen ausgelöst hatte, eine Rückkehr zu Verhandlungen mit den Palästinensern erschwere. Das Parlament soll heute in einer außerordentlichen Sitzung über die Lage der Nation debattieren. Auf internationales Drängen hin entschied die israelische Regierung Montagnacht, die den Palästinensern gestellte Frist zu verlängern, Ruhe in den palästinensischen Gebieten durchzusetzen. "Gewalt und Frieden sind so wenig miteinander vereinbar wie Feuer und Wasser", erklärte Schimon Peres, ehemaliger Ministerpräsident und jetziger Minister für Regionale Angelegenheiten, vor ausländischen Journalisten. Arafat müsse sich für das eine oder andere entscheiden. Peres glaubt indes nicht, dass die Region vor einem Krieg steht. Gleichzeitig bedauerte der Minister, dass die Araber "wiederholt kostbare Zeit vergeuden". In der nächtlichen Kabinettssitzung entschieden die Minister über eine schrittweise Trennung zwischen den beiden Völkern. Dazu gehören die Fortsetzung der Einreisesperre für Palästinenser sowie die Sperrung der so genannten sicheren Passage, die den Gaza-Streifen und das Westjordanland verbindet. Eine Ausnahmeregelung besteht weiterhin für rund 10.000 palästinensische Arbeitnehmer. Mit Blick auf die Unruhen innerhalb Israels meinte Außenminister Schlomo Ben-Ami gestern vor Journalisten, dass "alle Mittel genutzt werden müssen, um die Zahl der Toten zu reduzieren". Israel berate sich auch mit dem Ausland über Methoden, Demonstrationen aufzulösen. In Nazareth und in Jaffa bei Tel Aviv hatte es schwere Auseinandersetzungen zwischen arabischen und jüdischen Israelis gegeben. Drei Wohnungen arabischer Familien waren in Brand gesteckt worden. In Nazareth starben zwei arabische Israelis. Im Gaza-Streifen erschossen israelische Soldaten einen neunjährigen palästinensischen Jungen. Unterdessen dauern die Anstrengungen an, auf diplomatischem Weg zu einer Lösung zu geraten. Nach seinem Treffen mit Jassir Arafat erklärte UN-Generalsekretär Kofi Annan, dass die Situation zu bewältigen sei. Gleichzeitig halten unverändert scharfe Töne aus arabischen Ländern an. Saudi-Arabien warnte Barak davor, im Libanon anzugreifen. "Die Araber werden die Hände nicht in den Schoß legen", hieß es. Ein israelischer Angriff auf zivile Einrichtungen im Libanon war seit der Entführung dreier israelischer Soldaten, die sich in den Händen der schiitischen Hisbullah-Bewegung befinden, wieder denkbar geworden. Konkrete Maßnahmen gegen Israel fordern außerdem der Irak und sogar Kuwait. Ägyptens Präsident Husni Mubarak hingegen besänftigte seine arabischen Amtskollegen. Es sei gefährlich, von einem Krieg zu reden, meinte er. In Kairo dauern die Vorbereitungen für den Gipfel der arabischen Liga an. |