Aachener-Zeitung 11.10.2000 Abschiebung: Calhan im Hungerstreik - Frist bis Dienstag Aachen. Hüseyin Calhans Zukunft steht auf des Messers Schneide. Am Montag erfuhr der kurdische Flüchtling in der JVA Büren, dass der Termin seiner Abschiebung von der Ausländerbehörde des Kreises Wesel auf Dienstag, 17. Oktober, festgelegt worden ist. Der 27-Jährige ist daraufhin sofort in den Hungerstreik getreten. Er kann jetzt nur noch auf einen ausstehenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und einen Appell des Petitionsausschusses im Landtag an Innenminister Fritz Behrens hoffen. Vertreter des Flüchtlingsplenums reagierten mit Bestürzung und Bitterkeit auf die Hiobsbotschaft für den Sprecher der Aachener Kurden im Wanderkirchenasyl. Calhan war am 27. September am Bahnhof festgenommen worden. Die Initiative forderte OB Jürgen Linden jetzt gar zum Rücktritt auf: «Er soll sein Amt zur Verfügung stellen, falls er als Unterzeichner des 'Aachener Appells' nicht in der Lage ist, die Abschiebung zu verhindern», so deren Sprecher Hermann-Josef Diepels. Als exponiertem Kritiker der türkischen Regierung drohten Calhan in seiner Heimat Verhaftung, Folter und sogar der Tod. Deshalb werde man weiter täglich um 17 Uhr mit einer Mahnwache auf dem Markt protestieren. OB Linden, der zurzeit in Urlaub weilt, sagte der AZ am Abend: «Wir werden weiter alles tun, was in unserer Macht steht, um eine Abschiebung zu verhindern. Wir haben bereits intensiv darum gebeten, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Aber wir haben nun einmal keine direkten Einflussmöglichkeiten auf Entscheidungen, die im zuständigen Landkreis Wesel gefällt werden.» Nach wie vor klammern sich Calhans Helfer derweil an einen juristischen Strohhalm: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf könnte die Abschiebung per Beschluss über vorläufige Duldung zunächst stoppen. «Die Wahrscheinlichkeit, dass es dem Antrag folgt, ist nach meiner Erfahrung nicht sehr hoch», sagte Calhans Anwältin Stephanie Boley-Lichtenberg. «Vor dem 17. Oktober werden wir informiert, sobald die Sache beschieden ist.» An diesem Tag entscheidet auch der Petitionsausschuss des Landtags, ob er Innenminister Fritz Behrens bittet, letzte Möglichkeiten zu prüfen. Am Donnerstag wird das Gremium zur Anhörung mit Calhan und den Vertretern der zuständigen Behörden und des Ordnungsamts Aachen in Büren tagen. «Oft ergeben sich neue Lösungswege, die aus der Aktenlage so nicht ersichtlich sind», sagte die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses, Brigitte Herrmann (Grüne), am Dienstag. Dafür, betont Markus Reissen, Stellvertreter der Flüchtlingsbeauftragten in der Regionalstelle, spreche auch und vor allem der schlechte gesundheitliche Zustand Calhans. Reissen hatte am Mittwoch einer Härtefallkommission aus Vertretern der Ratsfraktionen und der Verwaltung berichtet, dass in Kürze das vierte ärztliche Gutachten über Calhans derzeitige Verfassung vorgelegt werde. Die Kommission hatte einhellig und mit Unterstützung auch des OB an die Verantwortlichen appelliert, alles zu tun, um Calhan zu helfen. Drei Mal bereits hätten Spezialisten bescheinigt, dass der Kurde dringend therapiebedürftig sei. «Er ist derzeit suizidgefährdet. Er ist mit seiner Kraft am Ende», sagte Reissen der AZ. «Leider sieht das zuständige Amt seinen Ermessensspielraum auf Null reduziert. Obwohl eine solche Behandlung nur hierzulande möglich wäre.» Zwar stelle Paragraph 53, Absatz 3, des Ausländergesetzes klar, dass eine Duldung erteilt werden könne, wenn «dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen die vorübergehende weitergehende Anwesenheit erfordern». Das Ausländeramt Wesel berufe sich jedoch auf den nachfolgenden Absatz. Der verpflichte es im Fall eindeutiger richterlicher Beschlüsse zur Abschiebung, sofern eine solche «nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich» sei. Zwei Anträge Calhans auf Asyl wurden bereits abgelehnt. Wolfgang Claasen, Leiter des Bereichs Ausländerwesen im Kreis Wesel, sagte gestern, Calhan sei «vollziehbar zur Ausreise verpflichtet». Matthias Hinrichs, |