taz Nr. 6268 vom 12.10.2000, Seite 10 Worte statt Gewalt in Nahost Nach Israel setzt nun auch die libanesische Hisbullah auf eine Verhandlungslösung. Die "Partei Gottes" stimmt sich eng mit den Palästinensern ab. Ägypten stellt Bedingungen für einen internationalen Gipfel zur Beilegung der Krise aus Beirut CHRISTINA FÖRCH Nach den Staatschefs und Außenministern aus aller Welt und UNO-Generalsekretär Kofi Annan bemühen sich jetzt auch die Gegner im Nahostkonflikt um eine diplomatische Lösung. Israels Ministerpräsident Ehud Barak traf gestern erneut mit Kofi Annan zusammen, der UN-Chef verschob dafür seine Weiterreise in den Libanon. Barak geht es vor allem um die drei von der libanesischen Hisbullah entführten israelischen Soldaten. Die radikal-islamische "Partei Gottes" gab ihrerseits erstmals zu erkennen, dass sie an einer Beendigung der Kämpfe im Nachbarland interessiert ist. Scheich Naim Kassem, Nummer zwei in der Hisbullah-Hierarchie, machte gestern deutlich, dass seine Organisation eine Vermittlung der UN in der Gefangenenfrage akzeptiere. Immer deutlicher wird in den letzten Tagen, wie eng die libanesischen Widerstandskämpfer mit den palästinensischen Aufständischen kooperieren. Inzwischen konzentriert sich die Hisbullah nicht mehr nur auf die Befreiung ihrer 19 in Israel inhaftierten Leute. Erstmals wurden auch palästinensische Menschenrechtsorganisationen bei der islamischen Partei vorstellig: Am Montag nahm Hisbullah-Chef Hassan Nasrallah eine Liste mit 130 palästinensischen Häftlingen entgegen. Der Vorsitzende der palästinensischen Organisation für Menschenrechte, Abdel Salam Aql, verlängerte die Aufstellung durch 1.400 Namen, darunter Häftlinge der Hamas und des Islamischen Jihad in israelischen Gefängnissen. "Alle Häftlinge, die aufgrund des Widerstandes gegen den zionistischen Feind gefangen genommen wurden, werden wir in unsere Verhandlungen mit einbeziehen, ganz gleich, ob sie zur Hisbullah gehören oder nicht", so Hisbullah-Sprecher Mowaffaq Jammal. Dies ist eine neue Entwicklung. Bisher gab es offiziell keine Zusammenarbeit zwischen der Hisbullah und der PLO. Die beiden Organisationen duldeten sich gegenseitig, doch sie hatten andere Verbündete: Die islamische Widerstandsorganisation war ein Partner der Syrer, während die Beziehungen der PLO zu Damaskus eisig waren. Nur in der Bevölkerung des Südlibanon gab es enge Kontakte zwischen Hisbullah und Palästinensern. Libanesen, die zuvor an der Seite der PLO gegen Israel gekämpft hatten, liefen in den Achtzigerjahren zur Hisbullah über. Dass sich nun palästinensische Menschenrechtsorganisationen an die schiitische Partei wenden, ist neu. Das zeigt, wie stark die Position der Hisbullah geworden ist. Die "Partei Gottes" ist sich sicher, dass sie mit dem Austausch der Geiseln einen politischen Sieg verbuchen wird, der weit über den Libanon hinausragt. "Für die Hisbullah war das Kidnapping sehr von Nutzen: Die arabische Welt findet sich wieder gegen den gemeinsamen Feind Israel vereint. Innenpolitisch ist es der Hisbullah damit gelungen, die libanesische Bevölkerung auf ihre Seite zu ziehen", sagt der Politikwissenschaftler Charles Adwan vom libanesischen Center for Political Studies. Setzten sich die Gotteskrieger mit dem Rückzug der Israelis aus dem Südlibanon also vorerst ein nationales Ziel, so spielen sie jetzt eine regionale Rolle. "Momentan wird die Hisbullah in der arabischen Welt als einzige legitime Organisation angesehen, die für die arabische Position kämpfen kann", so Adwan. Ägypten, das sich im Nahostkonflikt gerne als "ehrlicher Makler" darstellt, hat gestern Bedingungen für die Ausrichtung eines Vierergipfels mit Israel, den Palästinensern und den USA gestellt. Bevor sein Land ein solches Treffen, das maßgeblich von den USA forciert wird, ausrichte, müsse Israel seine Truppen aus den Palästinensergebieten abziehen und das Ultimatum an Jassir Arafat zurückziehen, sagte der ägyptische Informationsminister Safuat asch-Scharif gestern. Zudem müsse Israel die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission zu den Unruhen akzeptieren. Dies lehnt der israelische Ministerpräsident Barak bisher ab. Zitat: "Die arabische Welt ist wieder gegen den gemeinsamen Feind Israel vereint." |