junge Welt, 14.10.2000 »Mit Verschleppen hat das nichts zu tun« Sächsischer Landtag diskutierte Vorgehen gegen Asylbewerber in Zwickau Am gestrigen Freitag fand im Dresdner Parlament auf Antrag der PDS eine aktuelle Stunde zum »Stellenwert der Menschenwürde im »System Biedenkopf«, in deren Vorbereitung die Fraktion eine öffentliche Anhörung mit Bewohnern des Zwickauer Asylbewerberheims veranstaltet hatte. Wieder und wieder kommt es gerade in Zwickau zu brutalen Übergriffen der Polizei, zuletzt am Tag nach den Feiern zur deutschen Einheit, als morgens um vier Uhr eine bosnische Familie durch 130 Polizisten, die mit 30 Fahrzeugen kamen, »freiwillig« der Abschiebung zugeführt wurde. Über das, was sich in der Nacht vom 25. zum 26. September infolge des Vollzugs der unangekündigten Abschiebung zweier libyscher Familien abgespielt hat, gibt es Berichte von Heimbewohnern und auch von deutschen Zeugen. So liegen jW schriftliche Berichte eines Mitgliedes von amnesty international sowie eines Rechtsanwaltes vor. Danach stürmten am späten Abend etwa 50 Polizisten das Heim. Als Mitbewohner von den BGS- und Polizeibeamten aus dem benachbarten Glauchau Auskunft begehrten, wurde ihnen diese verwehrt. Weder wurde eine Legitimationsurkunde zur Durchführung der Aktion vorgelegt, noch nannten die Täter ihre Dienstnummern, geschweige denn ihre Namen. Die Heimbewohner gingen zum passiven Widerstand über, indem sie sich vor die Polizeiautos setzten. Die Polizisten schafften sie unter Gewaltanwendung fort. Der vormals für die rechtspopulistische Statt-Partei in Hamburg tätige Innenminister Klaus Hardraht hatte den brutalen Einsatz seiner Truppen nicht nur gebilligt, sondern sogar ausdrücklich begrüßt. Auch während der Debatte am Freitag wurde er seinem Ruf als Hardliner gerecht. »Mit Verschleppen... und mit Übergriffen hat das nichts zu tun«, so Hardraht über die polizeilichen Maßnahmen. Hardraht zufolge sollen die Heimbewohner der martialischen Truppe provokant und sogar gewalttätig gegenübergetreten sein. Ein bereits gefesselter Mann habe bei der Aktion einen Beamten getreten, so daß ihm Fußfesseln hätten angelegt werden müssen. Seine Konsequenz aus den »vielen unberechtigten Asylfällen«, zündelte der Minister erneut, könnten nur ein Einwanderungsgesetz und die »Verschärfung des Asylrechts« sein. Nachdem die PDS die Vorfälle in Zwickau und den Skandal der Leugnung von Toten und Brandanschlägen durch den Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) thematisiert hatte, meldete sich der CDU-Abgeordnete und Ausländerbeauftragte Sandig zu Wort und behauptete, die Menschenrechte hätten für die sächsische Regierung einen hohen Stellwert. Er jedenfalls sei froh über einen »Stil Biedenkopf«, der »liberal, weltoffen, großherzig« sei. Über die Opfer dieser Weltläufigkeit wollten weder er noch die SPD sprechen. Anselm Kröger, Dresden |