Aachener Nachrichten, 14.10.2000 "Nachrichten" besuchten Calhan im Abschiebegefängnis Vom psychischen Druck gezeichnet Aachen/Büren (an-o). Zwei Wochen lang habe ich fast täglich über den Fall Hüseyin Calhan geschrieben. Gestern hatte ich die Gelegenheit, den 27-jährigen Kurden, zusammen mit Eva und Jochen Klaar vom Kirchenwanderasyl, im Bürener Abschiebegefängnis zu treffen. Blass und abgemagert steht Hüseyin Calhan vor uns. 37 Minuten haben wir gebraucht, um vom Eingang des Gefängnisses endlich in den schmucklosen Besucherraum vorgelassen zu werden. Vier Tage Hungerstreik haben den vor zweieinhalb Wochen Inhaftierten gezeichnet. Immer noch ist Calhan erkältet, die Erkältung zog er sich zu, als er im Aachener Justizgebäude knapp acht Stunden in einer feuchten Kellerzelle auf den Haftrichter warten musste. Nur mit Hose und T-Shirt sei er da gesessen, eine Decke sei ihm genau so verweigert worden, wie Essen und Trinken. Danach, in Handschellen, die Fahrt ins 250 Kilometer entfernte Büren, dort habe er ebenfalls nichts mehr bekommen, es war zu spät - die Küche geschlossen. Alpträume plagen Gegen die Erkältung verschrieb ihm der Anstaltsarzt am nächsten Tag Vitamin-Tabletten, sagt Calhan. Ihm gehe es schlecht, sehr schlecht, teilt Calhan uns mit, Alpträume plagten ihn, schläft er mal gerade eine halbe Stunde, schreckt er auf, sieht sich schon in einem türkischen Gefängnis-Folterkeller. Es ist unübersehbar, der psychische Druck ist stark. Dennoch: "Ich gebe nicht auf, ich werde weiter kämpfen, um nicht an die Türkei ausgeliefert zu werden, das bin ich allen Helfern und auch mir selbst schuldig." Hüseyin Calhan freut sich sichtlich, Besuch zu kommen. Der katholische Gefängnisseelsorger, Clemens Stallmeyer, bestätigt: "Besuch für die Gefangenen hier ist überlebenswichtig." Leuchtende Augen In den zweieinhalb Stunden, die wir bei Calhan verweilen, taut er auf, er erzählt mit leuchtenden Augen von dem Kirchenwanderasyl: "Die Menschen waren alle so freundlich, sie sind wie eine Familie für mich." Und fügt leise hinzu, dass er in der Nacht vor seiner Festnahme davon geträumt habe, ins Gefängnis zu müssen. "Jetzt glaube ich an Träume", sagt der alewitische Kurde. "Brauchst Du noch was?", fragt Eva Klaar ein ums andere Mal Hüseyin, zärtlich seinen Arm streichelnd. Aber er ist bescheiden, erklärt sich dann aber doch bereit, noch eine Telefonkarte zu akzeptieren. Bittet inständig darum, ihm kein Geld zu überweisen, weil er Angst hat, dass dieses für seine Abschiebung verwendet wird. Und in der Tat, alles über 400 Mark auf dem Gefängnis-Konto wird tatsächlich für die Abschiebung zurückgelegt. Ein wenig Hoffnung Ein wenig Hoffnung hat Calhan: Seine Anwältin teilte ihm mit, dass er am 17. Oktober nicht abgeschoben wird, die Abschiebung wurde auf einen unbekannten Termin verschoben. Zunächst müssen noch einige Gesundheitsgutachten erbracht werden. Eines, das des Professors Müller aus Herford ist gerade unterwegs, Adresse: Ausländeramt des Kreises Wesel. Morgen bekommt Hüseyin Calhan Besuch von seiner Haarener Betreuerfamilie Neumann. Georg Dünnwald |