Frankfurter Rundschau 14.10.2000 Israel fürchtet neue Terrorwelle Wieder Zusammenstöße beim Freitagsgebet / Peres stellt Krisengipfel in Aussicht Vor dem Hintergrund der eskalierenden Gewalt in Nahost hat es beim Freitagsgebet in Jerusalem neue Zusammenstöße zwischen Palästinensern und Israels Polizei geben. Am Donnerstagabend hatten israelische Kampfhubschrauber weitere Ziele in palästinensischen Städten angegriffen. Nach der Freilassung radikalislamischer Hamas-Kämpfer wuchs in Israel die Sorge vor einer neuen Terrorwelle. Der ehemalige Ministerpräsident Schimon Peres kündigte einen möglichen neuen Nahostgipfel noch für dieses Wochenende an. JERUSALEM/GAZA-STADT, 13. Oktober (dpa/rtr/afp/ap). Nach seinen Luftangriffen auf Palästinenser-Gebiete hat Israel die Sicherheitskräfte in Jerusalem am Freitag massiv verstärkt. Palästinenser warfen vor dem Damaskus-Tor Steine und Flaschen auf die Bereitschaftspolizei. Die Polizei setzte Tränengas ein. Berichte über Verletze gab es zunächst nicht. Die Polizisten hatten zuvor hunderte junge Palästinenser daran gehindert, zur Al-Aksa-Moschee zu gelangen. Bei Ausschreitungen im Westjordanland und im Gazastreifen wurden rund 20 Palästinenser verletzt. Augenzeugen berichteten, dass israelische Soldaten in Hebron teilweise mit scharfer Munition geschossen hätten. In Bethlehem wurden fünf Palästinenser verletzt. In Ramallah attackierten rund 400 Palästinenser israelische Soldaten. In der Nacht hatte Israel seine Luftangriffe auf Ziele in den Palästinensergebieten fortgesetzt, obwohl zunächst von einer zeitlich begrenzten und vorerst beendeten Aktion die Rede gewesen war. Wie Palästinenserpräsident Yassir Arafat in der Nacht zum Freitag vor Journalisten in Gaza sagte, wurde auch Jericho beschossen. Nach israelischen Angaben gab es zudem Angriffe auf Ziele in Hebron. Bereits am Tage hatte Israel mit massiven Raketenangriffen von Kampfhubschraubern auf die Palästinenser-Städte Ramallah, Nablus und Salfit im Westjordanland sowie Gaza-Stadt Vergeltung für den Lynchmord an mindestens zwei israelischen Soldaten geübt. Arafat kündigte am Freitag an, die Morde würden untersucht. Palästinenser stürmten nach palästinensischen Angaben am Donnerstagabend ein Gefängnis in Nablus und befreite 65 inhaftierte Aktivisten der radikalen Hamas-Bewegung. Das israelische Fernsehen meldete, auch in anderen Autonomiestädten seien dutzende inhaftierter radikalislamischer Aktivisten auf freien Fuß gesetzt worden. Israel forderte die palästinensischen Behörden auf, sie sofort wieder ins Gefängnis zu bringen. Aus Furcht vor Anschlägen mobilisierte die israelische Armee einige Reserve-Einheiten. Soldaten begannen am Freitag mit der Abriegelung der autonomen Städte im Westjordanland. Ex-Premier Peres kündigte an, möglicherweise gebe es am heutigen Samstag einen neuen Nahostgipfel. Daran sollten im ägyptischen Scharm-el-Scheich US-Präsident Bill Clinton, Israels Premier Ehud Barak, Arafat, Ägyptens Präsident Hosni Mubarak und König Abdullah II. von Jordanien teilnehmen. Aus britischen Diplomatenkreisen verlautete, Mubarak habe dazu eingeladen. Allerdings sagte Ägyptens Außenminister Amre Mussa, ein Krisengipfel sei ausgeschlossen, solange Israel nicht seine Militäraktionen stoppe. Israel bat indessen Russland im Fall der drei israelischen Soldaten, die von der pro-iranischen Hisbollah nach Libanon verschleppt worden sind, offiziell um Hilfe. Russlands Außenminister Igor Iwanow sagte in Moskau, die Hisbollah sei bereit, die Soldaten im Tausch gegen 19 Libanesen freizulassen. Premier Barak sprach mit dem Chef der oppositionellen Likud-Partei, Ariel Scharon, über die mögliche Beteiligung an einer Notstandsregierung. Barak habe sich am Freitagmorgen mit Scharon getroffen und die Lage erörtert, teilte sein Büro mit. EU dringt auf Gewaltverzicht wtr BIARRITZ. Mit hektischer Aktivität hat die EU auf die Zuspitzung der Lage im Nahen Osten reagiert. Auf ihrem Gipfeltreffen im französischen Biarritz forderten die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder Israelis und Palästinenser am Freitag auf, die Eskalation der Krise durch einen "unverzüglichen Verzicht auf jede Form von Gewalt" zu beenden. Dieser Appell wurde von einer umfangreichen Telefondiplomatie begleitet. Die Außenminister der EU kontaktierten ihre Partner im Nahen Osten, um auf neue Verhandlungen zu dringen.
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