Kölnische Rundschau, 16.10.2000 Mehmet Kilic droht die Abschiebung Bruch des letzten Strohhalms? Von Jan Sting jas Bergisch Gladbach. Skandierende Chöre auf dem Gladbacher Wochenmarkt: Trommeln wurden geschlagen, Pfeifentöne schrillten und ein paar Pänz hielten schon die Hände zum Applaus bereit. Karneval? Nein. Protest der Menschenrechtsorganisation "kein mensch ist illegal". Zusammen mit der hiesigen Friedensgruppe und Studenten demonstrierten sie gegen die drohende Abschiebung des zuletzt in Gladbach lebenden Mehmet Kilic. Bei Razzia in Paffrather Imbiss festgenommen Der Kurde wurde Anfang des Monats bei einer Razzia des Arbeitsamtes in einem Paffrather Imbiss geschnappt. Er hatte keine Papiere, wurde von der Ausländerbehörde einen Tag später dem Haftrichter in Bensberg vorgeführt. Der ordnete die Abschiebung des bundesweit gemeldeten 30-Jährigen an. Der Vorwurf der Demonstrierenden: Die Behörden lassen Willkür walten. Speziell im Falle Kilics sei nicht bedacht worden, dass er durch sein starkes Engagement im Wanderkircheasyl aufgefallen, und damit in der Türkei Gefahren einfacher Repressalien bis zur Folter ausgesetzt sei. "Da kann man sich alles vorstellen", sagte ein Mitdemonstrant, der ebenfalls Schutz im Wanderkirchenasyl gefunden hat. Und: "Über Mehmet wurden Akten angelegt, die auch in die Türkei gelangt sind. Er wurde in der Bundesrepublik gefilmt. Diese Filme kennt man dort. Er ist in Gefahr." Sonya Schneider von der Organisation "kein mensch ist illegal" weiß einiges aus Kilics Vorgeschichte: Im Alter von acht Jahren muss der Kurde in Sivas ein Massaker ansehen, die Misshandlung seiner Eltern und Brüder auf der Polizeiwache miterleben. Ein Jahr darauf stirbt der Vater in Folge der Folter. Triftige Gründe für ein langes Trauma Anfang der neunziger Jahre gerät er selbst in eine Kontrolle und wird in neuntägiger Polizeihaft gefoltert und misshandelt. 1993 wird sein Bruder, ein Journalist, von der Polizei ermordet. Kilic flieht in die Bundesrepublik. Nach Einschätzung von "kein mensch ist illegal" dürfte sein Trauma noch heute bestehen. Dafür gebe es triftige Gründe, die von den Behörden indes gerne übersehen würden. Zurzeit sitzt er in Abschiebehaft in Büren. Der Petitionsausschuss des Landtags wird morgen beraten. Letztlich entscheidungsbefugt ist laut Schneider das Gladbacher Ausländeramt. Stadtsprecher Peter Schlösser: "Wir werden die Empfehlung des Petitionsausschusses abwarten. Doch die Gerichtsurteile sind bindend." Und das Wanderkirchenasyl? Nach Einschätzung von "kein mensch ist illegal" wird die seit drei Jahren bestehende Initiative in letzter Zeit verstärkt unterhölt. Es liege im Trend, dass die Ausländerbehörden in Nordrhein-Westfalen "aufenthaltsbeendende Maßnahmen" gegen Teilnehmer des Wanderkirchenasyls einleiteten. Das wiederum sei für die Betroffenen der letzte Strohalm.
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