junge Welt, 17.10.2000

Stimmenfang mit Rassismus

Trotz Kritik - auch aus den eigenen Reihen - wollen CDU/CSU Zuwanderung im Wahlkampf thematisieren

In der Union geht der Streit um den Kurs der Partei in der Zuwanderer- und Ausländerpolitik weiter. CDU- Generalsekretär Ruprecht Polenz forderte am Montag im Deutschlandfunk, seine Partei müsse sich dem Thema stellen. Schließlich beschäftige sich ein großer Teil der Bevölkerung damit und erwarte Antworten. Ähnlich äußerte sich sein CSU- Kollege Thomas Goppel. Er betonte im ZDF, die Zuwanderung werde zum Wahlkampfthema im Jahr 2002, wenn die Bundesregierung das Problem bis dahin nicht gelöst habe. Zu der von Unionsfraktionschef Friedrich Merz angestoßenen Debatte sagte dessen Stellvertreter Wolfgang Bosbach, die Union sei klug genug, keinen Wahlkampf zu führen, für den ihr eine »Ausländer raus«-Politik unterstellt werden könnte.
Nach Goppels Auffassung entscheide nicht die Opposition, sondern die Bundesregierung, ob die Zuwanderung zum Thema des Bundestagswahlkampfes werde, denn in deren Hand liege es, bis dahin eine Lösung der Einwanderungsfrage zu finden.
Der CSU-Generalsekretär fügte hinzu, ein Thema werde dann zum Wahlkampfthema, wenn die Bevölkerung sich dafür interessiere und es für wichtig halte. Viele Menschen aus anderen Ländern seien in Deutschland »zu Besuch«. Es müsse dafür gesorgt werden, daß sie sich »an die Hausordnung halten« oder diese müsse geändert werden. Manche erwarteten einen Aufenthalt »im Sanatorium«. »Wir müssen uns darum sorgen, daß die zu uns Kommenden eingepaßt werden.« Wenn dies nicht geschehe, seien »extremistische Reaktionen« zu befürchten. Die Diskussion müsse an der Wurzel geführt werden. Bosbach äußerte im SWR die Erwartung, daß die Einwanderung eine Rolle im Wahlkampf spielen werde. Die CDU werde die nächsten Monate dazu nutzen, gründlich und »sehr unaufgeregt« über dieses sensible Thema zu sprechen. Ziel müsse eine bessere Integration der dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer sein. Dies sei das Gegenteil von »Ausländer raus«. Er verwies auch auf die Arbeit der CDU-Zuwanderungskommission, die im nächsten Jahr Ergebnisse vorlegen werde. Dann werde die Union dafür werben, daß sie die besseren Konzepte habe. Zuwanderung dürfe nicht tabuisiert werden, sonst werde sie von den Rechtsradikalen aufgenommen, warnte Bosbach. Er räumte ein, daß Deutschland zwar mehr Zuwanderung etwa von qualifizierten Arbeitnehmern brauche. Derzeit gebe es aber eine ungesteuerte Zuwanderung. Das Recht auf Asyl dürfe nicht aufgerechnet, Mißbrauch jedoch müsse bekämpft werden.
Merz hatte in den vergangenen Tagen mit seiner Ankündigung, die Zuwanderung zum Wahlkampfthema zu machen, Kritik auch in der eigenen Partei hervorgerufen. So sagte der saarländische CDU-Ministerpräsident Peter Müller der Saarbrücker Zeitung (Montagausgabe), dies sei ein »zu sensibles Thema, um es in den Mittelpunkt eines polarisierenden Wahlkampfes zu stellen«. Müller leitet die CDU-Zuwanderungskommission.
(AFP/jW)