taz Hamburg 17.10.2000 Flüchtlinge bleiben verunsichert Migrations-Experten der GAL kritisieren rot-grünen Abschiebekompromiss Die grüne Basis verweigert den Applaus. Das mit dem SPD-Regierungspartner ausgehandelte Papier über die Hamburger Abschiebepolitik, welches die Spitze der GAL-Bürgerschaftsfraktion vorige Woche als Erfolg gefeiert hatte, knallte die GAL-Landesarbeitsgemeinschaft Migrations- und Flüchtlingspolitik (LAG) den mitregierenden Grünen jetzt um die Ohren. Mit der Drucksache blieben "Flüchtlinge verunsichert", ein Zeichen gegen rechtsextreme Stimmungen sei nicht gesetzt worden, kritisieren die LAG-SprecherInnen Ayse Öktem und Jörn Sudhoff. Ganz anders GAL-Fraktionschefin Antje Möller vorigen Dienstag. Sie hatte sich insbesondere gefreut, dass die Drucksache die politische Verständigung mit der SPD von vorigem Sommer konkretisiert und damit den SachbearbeiterInnen der Ausländerbehörde den Interpretationsspielraum bei der Entscheidung über Abschiebungen nimmt. Die LAG hingegen prognos-tiziert, dass auch die jetzigen Entscheidungen nicht umgesetzt werden. Denn Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) habe sich geweigert, die ausgehandelte Drucksache in eine Dienstanweisung für die MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde zu fassen, ein sonst "in jeder Behörde übliches Verfahren". Die LAG kritisiert insbesondere, dass nach wie vor der Umgang mit Menschen unklar sei, bei denen aus medizinischer Sicht Abschiebehindernisse vorliegen. Hegt die Ausländerbehörde Zweifel an ärztlich verbriefter Reiseunfähigkeit, sollen zwar AmtsärztInnen die Entscheidung treffen. Es bestünde jedoch die Gefahr, dass weiterhin nur danach geurteilt wird, ob die kranke Person den Flug überleben wird - während schwere psychische Beeinträchtigungen ignoriert würden. Die LAG bedauert zudem, dass Flüchtlinge aus Afghanistan auch weiterhin keine längerfristige Aufenthaltsbefugnis bekommen werden - obwohl sie ohnehin nicht nach Afghanistan abgeschoben werden können. Positiv sei hingegen, dass allein einreisende Flüchtlingskinder künftig unabhängig beraten werden, ehe ihre Akte von der Ausländerbehörde bearbeitet wird. Diese Regelung war getroffen worden, weil die SachbearbeiterInnen jugendlichen Flüchtlingen oftmals das angegebene Alter nicht glauben und dies auf 16 Jahre hochsetzen - mit der Konsequenz, dass die Flüchtlinge aus Hamburg wegverteilt werden können und nicht pädagogisch betreut, sondern zusammen mit Erwachsenen untergebracht werden. Im Gegenzug zum Entgegenkommen der SPD, die unabhängige Beratung zu gewähren, musste die GAL jedoch der Ausweitung der fiktiven Altersfestsetzung auf weitere Gruppen zustimmen. Elke Spanner |