Frankfurter Rundschau, 18.10.2000 Clinton erreicht Gewaltverzicht Barak und Arafat sollen Kämpfe beenden / Fatah-Chef will Aufstand fortsetzen Unter starkem internationalem Druck haben sich Israel und die Palästinenser nach über zwei Wochen Straßenschlachten mit mehr als 110 Toten auf ein Ende der Gewalt in den Autonomiegebieten geeinigt. Die radikale Hamas und Teile der Fatah-Bewegung wollen den Aufstand jedoch fortsetzen. Während der Nahost-Gipfel tagte, hielten die Unruhen weiter an, zwei Palästinenser wurden dabei erschossen. SCHARM-EL-SCHEICH, 17. Oktober (dpa/afp/rtr). Israel und die Palästinenser hätten sich zu "sofortigen konkreten Maßnahmen" zur Beendigung der Gewalt in den palästinensischen Gebieten verpflichtet, erklärte US-Präsident Bill Clinton am Dienstag nach dem Ende der Gespräche im ägyptischen Scharm-el-Scheich. Die Konfliktparteien hätten sich auch darauf geeinigt, die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen voranzubringen. Beide Seiten wollen zur Lage vor Ausbruch der Unruhen am 28. September zurückkehren und binnen zwei Wochen mit den USA über eine Fortsetzung des Friedensprozesses beraten. Eine Kommission soll die Unruhen der vergangenen Wochen untersuchen. Clinton verlas die Ergebnisse nach dem Treffen in Form einer "bindenden Erklärung", ein unterzeichnetes Abschlusspapier gab es nicht. Gezeichnet von einem fast 25-stündigen Sitzungsmarathon, bei dem Clinton zuletzt bis morgens um 4 Uhr mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak verhandelt hatte, gab sich der übernächtigte US-Präsident vorsichtig: "Wir haben keine Illusionen über die Schwierigkeiten, die vor uns liegen." Israel drang mit seiner Forderung an die Palästinenser nicht durch, die am vergangenen Donnerstag freigelassenen Hamas- und Dschihad-Extremisten wieder in Haft zu nehmen und die palästinensischen Milizen zu entwaffnen. Palästinenserpräsident Yassir Arafat musste akzeptieren, dass nicht eine unabhängige, internationale Untersuchungskommission eingesetzt wird, sondern die USA mit Israel und den Palästinensern unter Konsultation mit den UN die Kommission bilden. Erste Äußerungen der Konfliktparteien ließen sofort die Schwierigkeiten bei der Verwirklichung der Zusagen ahnen. Barak warnte, man müsse mehr auf Taten und weniger auf Gesten achten: "Erst die Umsetzung der Vereinbarungen wird zeigen, was sie wirklich wert sind." Der palästinensische Planungsminister und Chefunterhändler Nabil Schaath sagt, die Palästinenser seien mit dem Ergebnis "nicht glücklich". Ziel sei es aber gewesen, das Leben von Zivilisten zu schützen. Der einflussreiche Chef der Tansim-Kampftruppen der paläsitinensischen Fatah-Miliz im Westjordanland, Marwan Barguti, erklärte dagegen, die Palästinenser wollten ihren Aufstand fortsetzen. Auch der geistliche Führer der radikal israel-feindlichen Palästinenser-Organisation Hamas, Scheich Ahmed Jassin, hält die Vereinbarung nicht für verbindlich. Sie sei "dem palästinensischen Volk von Amerika und Israel aufgezwungen" worden, und "wir werden uns der Besatzung weiter widersetzen", sagte Jassin in Gaza-Stadt. Auch am Dienstag gab es in den Palästinensergebieten wieder Opfer. In der Nähe von Nablus erschossen jüdische Siedler einen Palästinenser, der Oliven erntete. Südlich von Jerusalem beschossen Palästinenser eine jüdische Siedlung und verletzten zwei Israelis. Am Eres-Übergang zum Gazastreifen lieferten sich steinewerfende Palästinenser ein Gefecht mit israelischen Soldaten. Dabei wurde ein palästinensischer Polizist erschossen. Arafat verurteilte die Taten als Verstöße gegen die Waffenruhe. |