Frankfurter Rundschau, 18.10.2000 Wunder mit Verfallsgefahr Weder Israelis noch Palästinenser sind bereit, den hohen Preis für den Frieden zu bezahlen Von Detlef Franke Es grenzt an ein Wunder, dass sich Israelis und Palästinenser beim so genannten Gipfel von Scharm el-Scheich überhaupt auf eine gemeinsame Erklärung geeinigt haben. Doch was das Papier wert ist, auf dem beide Seiten ein Ende der Gewalt zusagen, werden die nächsten Tage zeigen. Große Erwartungen, dass Hass und gegenseitige Feindseligkeiten, die auf palästinensischer Seite über 100 Todesopfer gefordert haben, sich von heute auf morgen in friedliche Zusammenarbeit und künftige Friedensgespräche verwandeln werden, hegt in der Region kaum jemand. Schon hat die Fatah eine Fortsetzung des Aufstands gegen die Besatzungsmacht Israel angekündigt, und Premier Barak denkt ernsthaft an eine Regierung der "nationalen Einheit". Also an eine Regierung mit der Partei jenes Ariel Scharon, der mit seinem Besuch am Tempelberg zwar nicht Ursache, aber Auslöser der jüngsten blutigen Unruhen war. Keine guten Voraussetzungen für eine Befriedung der Region. Doch den Gipfelteilnehmern deuchte es wohl schon als Erfolg, das Schießen und Steinewerfen zu beenden. Der Frieden im Nahen Osten, der 1993 mit dem Abkommen von Oslo so hoffnungsvoll eingeläutet schien, ist heute weiter entfernt denn je. Barak und Yassir Arafat sind mit ihrer bisherigen Politik gescheitert. Der Israeli hat sich weit von seiner Regierungserklärung entfernt, und der Palästinenserchef hat die Gefühle seines geschundenen Volkes mit falschen Hoffnungen enttäuscht. Der Frieden in Nahost hat einen sehr hohen Preis. Doch keine der beiden Seiten ist bereit, den tatsächlichen Gegenwert für diesen Frieden zu bezahlen.
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