taz 18.10.2000 Burgfrieden für Palästina Israel und die Palästinenser verabreden in Scharm al-Scheich erst einmal ein Ende der Gewalt. Über den Friedensprozess soll später verhandelt werden aus Jerusalem SUSANNE KNAUL Nach wochenlangen Unruhen, mehr als hundert Toten und tausenden Verletzten haben sich Israel und die Palästinenser gestern auf dem Gipfel in Scharm al-Scheich auf eine sofortige Einstellung der Gewalt geeinigt. Beide Seiten wollen dafür sorgen, künftig erneute Schusswechsel zwischen den Sicherheitskräften zu unterbinden. Eine intensivierte Kooperation zwischen israelischer Armee und palästinensischer Polizei sowie eine Auflösung der Konfliktpunkte sollen die Lage in den Palästinensergebieten langfristig beruhigen. Ägyptens Präsident Husni Mubarak hatte Premierminister Ehud Barak, Palästinenserpräsident Jassir Arafat und König Abdallah II. von Jordanien nach Scharm al-Scheich eingeladen. US-Präsident Bill Clinton, der die Gespräche zwischen Barak und Arafat moderierte, erklärte im Anschluss an den Gipfel, dass die Amerikaner innerhalb der kommenden zwei Wochen prüfen wollten, auf welcher Grundlage die Friedensverhandlungen wieder aufgenommen werden können. Die beiden Konfliktparteien einigten sich auch auf die Einrichtung einer Untersuchungskommission, die unter Aufsicht der Amerikaner und der UN die Geschehnisse der vergangenen vierzehn Tage prüfen soll. Die Israelis zeigten sich bereit, die derzeitige Einreisesperre für palästinensische Arbeitnehmer aufzuheben und den erneuten Flugverkehr vom internationalen Flughafen im Gaza-Streifen zu genehmigen. Auf israelischer Seite bestand indes Skepsis darüber, ob die Palästinenser ihre Verpflichtungen einhalten werden. In Israel wurde die Vereinbarung als "großer Erfolg Baraks" eingeschätzt. Für eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses sind die Ergebnisse des Gipfels ein ermutigendes Zeichen, eine Garantie sind sie nicht. "Taten sind wichtiger als Worte", kommentierte denn auch der israelische Premierminister Barak die Ergebnisse des Gipfels in Scharm al-Scheich. Innenpolitisch entlastet der Verhandlungserfolg Regierungschef Barak nur bedingt. Die Bemühungen, eine nationale Einheitsregierung zu errichten, müssten fortgesetzt werden, meinte der Premier. Barak hatte in den vergangenen Tagen Verhandlungen mit den verschiedenen Oppositionsparteien geführt. Aus den Reihen des Likud war zu hören, dass der Vertrag zwischen Barak und Arafat die Chancen auf ein Zusammengehen des Likud mit der Regierung verringere. Dennoch müsse abgewartet werden, ob die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern auf der Basis von Camp David fortgesetzt werden, was der Likud strikt ablehnt. In Camp David hatte Barak eine Rückgabe von 95 Prozent des palästinensischen Landes in Aussicht gestellt sowie eine Teilautonomie in Ostjerusalem. Auch aus den Reihen der National-Religiösen Partei war Unmut über die Möglichkeit laut geworden, dass die von Barak vorgeschlagenen Kompromisse von Camp David Grundlage neuer Verhandlungen werden könnten. Der Chef der ultraorthodoxen Partei Schas, Eli Ischai, schlug deshalb Neuwahlen vor. "Es gibt derzeit keinen Grund für eine Nationale Einheitspartei", meinte Ischai. Der Schas-Chef begrüßte grundsätzlich die Einigung von Scharm al-Scheich. Schade sei nur, dass "nicht auch eine Untersuchungskommission für die Vorfälle in Ramallah errichtet wird". Damit spielte Ischai auf den Lynchmord an zwei israelischen Soldaten in der vergangenen Woche an. Während die Aussichten für eine Nationale Einheitsregierung eher gering sind, hat Barak auch im linken israelischen Lager an Sympathie verloren. Die arabischen Parteien wollen nach den gewaltsamen Unruhen in arabisch-israelischen Wohnvierteln und Dörfern, bei denen 14 Menschen zu Tode gekommen sind, die Regierung "weder von innen noch von außen stützen", so der Abgeordnete Muhammed Kanan von der Vereinigten Arabischen Liste. Einzig das linke Bündnis Meretz steht der Regierung ohne Vorbehalt für ein Zusammengehen bereit. Parteichef Jossi Sarid hofft auf eine baldige Fortsetzung der Verhandlungen mit den Palästinensern. "Es gibt keine Alternative zum Dialog", meinte Sarid. |