Frankfurter Rundschau, 19.10.2000 Zur Sache Folter Folter ist laut Allgemeiner Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN) von 1948 ausdrücklich verboten, doch was ist unter dem Begriff genau zu verstehen? Eine nähere Definition liefert die Erklärung allerdings nicht. Diese findet sich erst in der Anti-Folterkonvention der UN von 1984, die für alle Unterzeichnerstaaten völkerrechtlich verbindlich ist. Laut Artikel 1 bezeichnet Folter "jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangenen Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen, oder aus einem anderen, auf irgendeine Art von Diskriminierung beruhenden Grund." So eindeutig diese Formulierung klingt - sie ist dennoch lückenhaft. Denn es folgen zwei wichtige Ausnahmen. Zum einen müssen "diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlichen Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden". Das heißt: Folter kann in diesem Sinn nur von Staaten ausgehen, der in Bürgerkriegsländern aber oft faktisch nicht mehr existiert. Wenden etwa Rebellengruppen Folter an, fällt diese nicht unter die UN-Konvention. Die zweite Einschränkung lautet: "Der Ausdruck (gemeint ist "Folter", d. Red.) umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind." Auf diesen Satz beziehen sich vor allem Staaten, deren Gesetze als Strafen etwa das Auspeitschen oder Steinigen vorsehen. Daran ändert auch nichts, dass in der Konvention außer von Folter auch von "grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe" die Rede ist. Denn was darunter zu verstehen ist, bleibt wiederum Interpretationssache. Diesen Spielraum lassen die - von den UN festgehaltenen, aber unverbindlichen - "Principles of Medical Ethics" von 1982 nicht zu. Sie bezeichnen Folter unzweideutig als "vorsätzliche, systematische oder rücksichtslose Zufügung von körperlichen oder seelischen Leiden durch eine oder mehrere Personen, allein oder im Auftrag einer Autorität durchgeführt, um gewaltsam von einer anderen Person Informationen zu erlangen, ein Geständnis zu erzwingen oder aus irgendeinem anderen Grunde." (ram) |