Frankfurter Rundschau, 19.10.2000 Ein Bausatz für die Folterknechte in aller Welt Elektroschockwaffen werden von den USA aus übers Internet angeboten / Amnesty warnt vor weiterer Verbreitung Von Dietmar Ostermann (Washington) Elektroschockwaffen, die laut Amnesty International in vielen Ländern zunehmend als Folterinstrumente eingesetzt werden, sind im Internet für jeden zu haben: Unter Umgehung bestehender Ausfuhrschranken werden sie in den USA als zweiteiliger Bausatz zum weltweiten Versand angeboten. Der 100 000-Volt-Satz kostet 36,95 Dollar, das stärkere Paket mit einer Spannung von 300 000 Volt ist für 49,95 Dollar zu haben. Und die internationalen Versandkosten - "überallhin" - sind auch schon drin. Damit es keine Probleme mit dem Zoll gibt, wird die Elektrowaffe in zwei Teilen geliefert: Im ersten Paket die montierte Elektronik, laut telefonischer Kundenauskunft deklariert als "elektronische Teile". Im zweiten Paket die Plastikhülle mit vier Schrauben. Die Montageanleitung kann im Datennetz abgerufen werden. Das Angebot "Elektroschockwaffen für internationale Bestellungen" findet sich auf der Webseite der Firma "S.L.S. Products". Geordert werden kann online oder über eine US-Rufnummer. Als Adresse wird ein Postfach im kalifornischen San Juan Capistrano angegeben. Warum er sich seinen Stromknüppel selbst zusammenbauen muss, wird dem ausländischen Kunden auf der Webseite so erklärt: "Elektroschockwaffen-Bausätze werden international versandt, um strikte Exportbestimmungen zu umgehen." Gemeint sind die jüngst verschärften Richtlinien des US-Handelsministeriums zur Ausfuhr von E-Waffen. Unter den 22 Staaten, die nach Angaben von Amnesty International (AI) bei Handel oder Herstellung dieser potenziellen Folterwerkzeuge aktiv sind, gelten die USA mit 78 der weltweit 120 Firmen als Marktführer. In der Vergangenheit landeten diese Waffen immer wieder in Folterkellern. 1998 berichtete das Time-Magazin über genehmigte Exporte nach Saudi-Arabien, für das Misshandlungen im Strafvollzug dokumentiert sind. Das US-Handelsministerium versicherte damals, alle Anträge würden geprüft, um zu verhindern, dass Elektroschockwaffen, die enorme Schmerzen verursachen, aber kaum Spuren hinterlassen, in die Hände von Menschenrechtsverletzern fielen. Jetzt wurden die Bestimmungen verschärft: Nun müssen mit Ausnahme Kanadas auch US-Ausfuhren in Nato-Staaten genehmigt werden. Ebenfalls genehmigungspflichtig wurden Technologie-Exporte wie die Vergabe von Produktionslizenzen. Durch Internet-Angebote wie das von "S.L.S. Products" könnten solche Handelsschranken unterlaufen werden. "Wenn sie tatsächlich überallhin liefern, sind wir sehr besorgt", sagte Henry Smith von der AI-Zentrale in London der FR. Länder und Gruppen, die diese Waffen zu Folterzwecken nutzen, könnten sie leichter erhalten. Fälle wie der von der FR recherchierte lägen der Organisation, die am Mittwoch ihre Anti-Folter-Kampagne begann, bislang nicht vor. Das Muster sei vom Geschäft mit Handfeuerwaffen bekannt, so Smith: "Das Verbrechen begeht die Person, welche die Waffe zusammenbaut." Die Geschäftspraxis erklärte die Kundenbetreuerin bei "S.L.S. Products" so: "Wir kennen eure Gesetze nicht. Dafür, dass ihr die Bestimmungen in euren Ländern erfüllt, seit ihr Jungs verantwortlich." |