Mainpost, 19.10.2000

- Stadt Würzburg

Trotz Exil-Aktivität: Dem Vorsitzenden des Kurdistan-Kulturvereins droht die Abschiebung

Hoffen auf die letzte Anhörung

WÜRZBURG · Wird das Würzburger Verwaltungsgericht eine Abschiebung in die Türkei verhindern?

VON ANDREAS JUNGBAUER

Wer Yusuf Baydar im Döner-Laden gegenübersteht, schaut in ein freundliches Gesicht. Es verrät nichts von der sechsjährigen Odyssee, die der 25-jährige Kurde hinter sich hat. 1994 war er mit seiner Familie aus dem türkischen Kurdengebiet nach Deutschland geflüchtet. Ihre einzige Hoffnung: politisches Asyl. Die Hoffnung wurde über Jahre strapaziert, das Verfahren zog sich hin. Ohne Erfolg. Die Asylanträge der Baydars wurden abgelehnt, ein Einspruch fruchtete nicht. Mit Ausnahme Yusufs. Sein Verfahren wurde neu aufgerollt. Die Familie ist unterdessen auseinander gerissen. Am 27. Februar 1998 brachten Abschiebebeamte Mutter Fatma (50) und Bruder Mehmet (18) zum Flughafen.

Jetzt harrt Yusuf Baydar nervös seinem ungewissen Schicksal. Am 31. Oktober wird sein Einspruch vor dem Würzburger Verwaltungsgericht verhandelt. Wird er abgelehnt, muss er in die Türkei ausreisen oder wird dorthin abgeschoben. Eine dramatische Vorstellung für Baydar, der sich immer wieder als offensiver Kritiker der türkischen Kurdenpolitik hervorgetan hat. Wie es in der Pressestelle des Gerichtes heißt, müsse jeder Einzelfall geprüft werden. Entscheidend sei, wie stark und wie öffentlich der Asylbewerber die türkische Regierung attackiert habe. "Ich hatte selten einen Asylbewerber zu vertreten, der politisch so aktiv war wie Herr Baydar", sagt der Nürnberger Rechtsanwalt Manfred Hörner über seinen Mandanten. Hier gehe es nicht um das Urteil über einen vermeintlichen Mitläufer, sondern einen ausgewiesenen Aktivisten. Immer wieder war Baydar in den letzten Jahren öffentlich aufgetreten - bei Demonstrationen, Kundgebungen und schließlich durch Protestbriefe an das türkische Konsulat und den Staatspräsidenten. In Würzburg ist er als Vorsitzender des Kurdistan-Kulturvereins bekannt geworden, der bisweilen an die 60 Mitglieder hatte. Wöchentlich treffen sich die Exil-Kurden im DGB-Haus, Baydar organisiert Kulturabende oder das kurdische Neujahrsfest Newroz. Von der terroristischen PKK hat sich der Kulturverein distanziert. Statt dessen schloss man sich dem regierungskritischen, aber gewaltfreien KOMKAR, einem Dachverband kurdischer Exil-Vereine an.

Sollte Yusuf Baydar in die Türkei abgeschoben werden, könnte die Situation für ihn kritisch werden. Davon ist Michael Koch überzeugt, der als Mitglied der Rechtsberaterkonferenz mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammenarbeitet. Nach Informationen des Würzburger Anwaltes hat selbst das Auswärtige Amt mittlerweile seine Einschätzung revidiert und sieht Abgeschobene in Gefahr. Amnesty International hatte vor wenigen Monaten eine Liste von 30 abgeschobenen Kurden vorgelegt, die nach ihrer Rückkehr gefoltert worden seien. Viele dieser Fälle, so Koch, seien vom Auswärtigen Amt bestätigt worden.

Das Bundesamt zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge räumt ein, dass sich die Grundlage für einen Asylentscheid während des Verfahrens verändern könne. Thomas Steinmeyer, Leiter der Würzburger Außenstelle: "Nur weil wir den Asylantrag einmal abgelehnt haben, kann es trotzdem zu einem anderen Ergebnis vor Gericht kommen." Es müsse geprüft werden, ob der türkische Staat in der Exilaktivität des Asylbewerbers eine strafbare Handlung sieht. In jedem Fall sei die Türkei in Sachen Menschenrechte ein "sehr ambivalentes Land". Laut Steinmeyer stammt derzeit rund ein Drittel aller Asylbewerber in Würzburg aus Kurdistan.