Aachener-Zeitung, 19.10.2000 Einmütiger Appell: Calhan muss bleiben Aachen. Im dramatischen Ringen um den kurdischen Flüchtling Hüseyin Calhan hat die Stadt Aachen am Mittwoch ein weiteres klares Zeichen gesetzt: Einstimmig verabschiedete der Rat eine Resolution der SPD. Darin werden Politiker und Verwaltung auf Kommunal- und Landesebene mit allem Nachdruck aufgefordert, sich weiter für den Verbleib des 27-Jährigen einzusetzen, der seit drei Wochen in Abschiebehaft sitzt. Der hoch emotionale und hoch aktuelle Augenzeugenbericht von Vertretern der Härtefallkommission zur Situation und Verfassung Calhans geriet zum beeindruckenden Appell an Menschlichkeit und Gewissen der Verantwortlichen. Müßig zu fragen, ob das Votum anders ausgefallen wäre, hätten die Ratsdamen Rosa Höller-Radtke und Hilde Scheidt nicht unter dem unmittelbaren Eindruck ihres Besuchs bei Calhan über die Zustände im Bürener Abschiebegefängnis berichtet - und über den Zustand des jungen Kurden, der sich seit knapp anderthalb Wochen im Hungerstreik befindet. Ohne jede Debatte folgten alle Fraktionen dem Fünf-Punkte-Appell der Sozialdemokraten - unter großem Applaus von Vertretern der Flüchtlingsinitiativen, der Kirchen und des Wanderkirchenasyls, die vor und im Rathaus still für Calhan demonstrierten. Tenor der Resolution: Geschlossen und entschlossen müsse der Kampf gegen die Abschiebung fortgesetzt werden. Mit allen verfügbaren Mitteln müsse auch auf NRW-Innenminister Fritz Behrens eingewirkt werden, der akuten Zerreißprobe für Leib und Leben des PKK-Sympathisanten ein Ende zu machen. Mehr noch als dies: Mit Ausnahme des OB folgten neben den Grünen auch die SPD-Vetreter einem Antrag des PDS-Abgeordneten Andreas Müller, der sich für eine grundsätzliche Ergänzung des Appells aussprach: Bundesinnenminister Otto Schily müsse der erheblichen Gefährdung illegal in Deutschland lebender Kurden mit einem generellen Abschiebestopp für diese Flüchtlinge Rechnung tragen und die Erfahrungen einschlägiger Initiativen nutzen, um über eine Reform der Asylgesetze nachzudenken. Gegen die Stimmen von CDU und SPD wurde diese Forderung allerdings abgelehnt. Vor dem etwa halbstündigen Report der beiden Politikerinnen - sie waren verspätet zur Sitzung erschienen, weil sie auf der Rückfahrt mit dem Bürgerbeauftragten Willi Claßen vom Ortstermin im westfälischen Büren in einen Stau geraten waren - veranlasste der OB, dass der kurzfristig eingebrachte Tagesordnungspunkt in Verbindung mit der Einwohnerfragestunde an den Anfang der Sitzung gesetzt wurde. In einem detaillierten, etwa 20-minütigen Bericht rekapitulierte Jürgen Linden die Chronologie der Verhandungen mit den Behörden am Niederrhein und dem NRW-Innenministerium. Er betonte, dass die Stadt der Forderung aus Wesel, sich engagierter für eine Festnahme Calhans einzusetzen, bereits zuvor nicht entsprochen habe, «mit dem Hinweis, dass dessen Aufenthaltsort uns nicht bekannt sei». In einem persönlichen Gespräch mit dem Innenminister habe er nach der Verhaftung darum gebeten, die Akte Calhan an die hiesige Verwaltung zu übergeben. Erst wenn klar sei, dass der 27-Jährige wegen seines Gesundheitszustands nicht mehr haftfähig sei, könne über neue Zuständigkeiten gesprochen werden. Mit Hochspannung erwarten Calhans Helfer daher nun ein weiteres Gutachten über dessen gesundheitliche Verfassung. Sie sind überzeugt, dass das Schicksal des jungen Kurden entscheidend vom Ergebnis dieser Expertise abhängt. Matthias Hinrichs |