taz Hamburg 19.10.2000 Rettung von ganz oben Norderstedter Kirchenasyl vorerst erfolgreich: Syrischer Flüchtling unter UNHCR-Mandat erhält Duldung. Möglicher Präzedenzfall Von Heike Dierbach Mit einem sechsmonatigen Kirchenasyl haben Norderstedter Kirchengemeinden einen ehemaligen PLO-Offizier aus Syrien wahrscheinlich vor der Todesstrafe gerettet - und dazu beigetragen, eine Lücke im Ausländerrecht aufzuzeigen. Abdul A. war in Syrien dafür zuständig, Versorgungslieferungen des staatlichen Sicherheitsdienstes an die Palästinensergruppe um Abu Mossa, einem Gegner des Friedensprozesses mit Israel, zu organisieren. 1987 aber wandte er sich einer Arafat-treuen Palästinenser-Einheit zu und übergab ihr eine der Lieferungen. Er floh in den Libanon, in Syrien wurde er in Abwesenheit wegen Desertion und Verrat zum Tode verurteilt. A. floh weiter in den Irak, wurde dort für zwei Jahre inhaftiert und schwer gefoltert. 1993 schließlich kam er nach Deutschland. Doch sein Asylantrag hier wurde abgelehnt - ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes bezweifelte, dass der syrische Haftbefehl gegen A. echt sei. Die für ihn zuständige Ausländerbehörde in Ratzeburg (Kreis Herzogtum Lauenburg) beantragte für eine Abschiebung bei der syrischen Botschaft Reisedokumente - die diese, als sie sah, um wen es sich handelte, sofort ausstellte. A. sah keinen anderen Ausweg mehr, als an die Tür der evangelischen Schalom-Gemeinde in Norderstedt zu klopfen. Die "gewonnene" Zeit verschaffte dem 40-Jährigen neue Chancen: Im August nahm ihn das Hochkommissariat für Flüchtlinge der Vereinten Nationen (UNHCR) unter sein Mandat und stellte fest: A. riskiert "bei Rückkehr nach Syrien mit hoher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung". Mit dieser Unterstützung, so Martin Link vom Diakonischen Werk Norderstedt, hat A. sehr gute Chancen auf ein Visum zur Weiterwanderung in die USA, wo Cousins von ihm leben. Das sah auch die Härtefallkommission des Landes Schleswig-Hostein so, in der unter anderem Kirchen, Wohlfahrtsverbände und das Innenministerium vertreten sind. Anfang September empfahl sie der Ratzeburger Behörde, A. eine Duldung bis zur Weiterwanderung auszustellen - zunächst vergeblich: "Eine geplante Weiterwanderung ist rechtlich kein Abschiebehindernis", sagt Karsten Steffen, Sprecher der Kreisverwaltung. Allerdings war A. mittlerweile psychisch so zermürbt, dass er vom Amtsarzt in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Für die Unterschung musste die Behörde schließlich eine Duldung ausstellen, die zumindest solange gilt, bis die Ärzte entschieden haben, ob A. reisefähig ist. Link ist "guter Hoffnung, dass bis dahin auch das Visum für die USA bewilligt ist". Mittlerweile aber zieht A.s Fall Kreise. Die Härtefallkommission will nun Innenminister Klaus Buß (SPD) darauf hinweisen, dass für aussichtsreiche Weiterwande-rungsfälle "Handlungsbedarf" besteht: "Es sollte Spielraum geben, die Menschen hier zu belassen, bis sie ihr Visum haben", sagt Kommissions-Vorsitzender Jürgen Nehmann. Einen entsprechenden Beschluss müsste die Innenministerkonferenz fassen. |