Frankfurter Rundschau, 19.10.2000 Unbestrafte Mörder verfolgen Frankfurterinnen unterstützen kurdisches Frauenzentrum FRANKFURT A M. (düp) "Die Zeichnung sieht aus wie ein riesiges Spinnennetz", freut sich Susanne Bötte und zeigt ein Fax. Dieses Fax hat eine Verwaltungsangestellte des Frauenzentrums "Khanzad", im irakischen Kurdistan in der Stadt Suleymaniah, geschickt. Aus der Erläuterung von Susanne Bötte erklärt sich ihre Freude: Das Spinnennetz steht für die zunehmende Vernetzung von Frauen in dieser Region, erklärt sie. Die sauber skizzierte Statistik, die gleich daneben zu sehen ist, zeigt, dass 116 Frauen vergangenes Jahr im Zentrum die Fahrschule absolviert haben, 198 den Computerkurs, 180 nahmen an Englisch-Seminaren teil und 78 schlossen Alphabetisierungskurse ab. Dann gibt Bötte, die im Club Voltaire über das Frauenzentrum Khanzad referiert, Fotos herum: Lachende Frauen in festlicher Kleidung sind zu erkennen. Sie haben gerade den Alphabetisierungskurs bestanden, erläutert die Referentin. Wie üblich in der Frauenrunde im Club Voltaire, die sich jeden zweiten Dienstag im Monat dort trifft, um frauenpolitische Themen zu diskutieren, wird es anschaulich: "Trotz Krieg und Unsicherheit schaffen sich Frauen ihre Freiräume", so hatte Bötte ihren Vortrag begonnen. Was folgte, war die lebensnahe Schilderung konkreten Engagements von Frankfurter Frauen für die Kurdinnen in Suleymaniah. Susanne Bötte ist in dem Verein "Haukari" aktiv, der zur Zeit ein Hauptanliegen hat. Das soziale und kulturelle Zentrum für Frauen und Mädchen "Khanzad" soll am Leben gehalten werden. Löhne und Gehälter für Referentinnen müssen bezahlt werden, ebenso Miete und Heizkosten. Für besondere Anschaffungen, etwa neue Computer, sucht der Verein, der rund 20 Mitglieder hat, Sponsoren. Seit 1993 ist der Zutritt zu dem UN-Schutzgebiet im irakischen Kurdistan für Hilfsorganisationen immer schwieriger geworden. Auch Bötte ist es seitdem nicht mehr gelungen, ein Visum zu bekommen, um die Frauen zu besuchen. So muss der Kontakt schriftlich aufrecht erhalten werden. Doch es gibt keineswegs nur die formalen Berichte, die für die Abrechnung wichtig sind. Bötte erhält auch persönliche Briefe. Die Teilnehmerin eines Alphabetisierungskurses Dragshan etwa schreibt von einer tollen Party nach Kursende und von Debatten, die Frauen unterschiedlichster politischen Couleur miteinander führen. Bötte berichtet vom Engagement für Frauenrechte, das sich durch das gemeinsam genutzte Zentrum entwickeln konnte: "Die Frauen haben ein Bündnis gegründet, setzen sich gemeinsam für die Ächtung von so genannten ,Ehrtötungen' ein. Sie fordern die konsequente Verfolgung der Täter." Das Ziel dieser Aktion: Männer, die Frauen töten, weil sie fremdgegangen sind, sollen zukünftig nicht mehr straffrei bleiben - so wie es derzeit nach einer fundamentalistischen Auslegung des Islam noch üblich sei. "1996 wurde das Zentrum, das den Frauen eine Cafeteria, eine Bücherei, einen Lesesaal und den Müttern Kinderbetreuung bietet, erstmals eröffnet", erzählt die Referentin. Das Haus und die Einrichtung wurden größtenteils durch ein UN-Hilfsprogramm finanziert. Doch bereits Monate später sei es geschlossen worden, weil in dieser Region ein Kampf zwischen den beiden größten kurdischen Parteien entbrannte. Erst im Mai 1999 habe man das Haus wieder eröffnen können. Frauen seien von Kriegszuständen stets am weitesten zurückgeworfen - durch die Verrohung der Sitten und die Manifestierung von Gewaltverhältnissen - "egal, wer den Krieg gewinnt", so die Schlussfolgerung an diesem Abend. Und deshalb, da ist man sich in dieser Runde einig, sei es wichtig, "dass Frauen international zusammenhalten". Bötte hofft, dem Zentrum auch weiterhin finanzielle Hilfe zukommen lassen zu können. Spenden können auf folgendes Konto eingezahlt werden: Stichwort Haukari, Kontonummer 6540 92 600, bei der Postbank Frankfurt, Bankleitzahl 500 100 60; Telefon: 70 76 02 78, E-Mail: HaukariFfm@aol.com. |