web de 22.10.2000 09:02 «Wir fühlen mit den Palästinensern» Proteste in zahlreichen arabischen Staaten gegen israelisches Vorgehen - Internet als Forum für Diskussionen Von AP-Korrespondent Sam Ghattas Beirut (AP) Rana Musawi sieht mit ihren Studienunterlagen in der Hand und der Sonnenbrille in der Hemdtasche eigentlich nicht aus wie eine typische Demonstrantin. Doch die eindrucksvollen Bilder von palästinensischen Kindern, die von israelischen Soldaten niedergeschossen werden, haben die libanesische Studentin wie zehntausende andere Menschen bewogen, auf die Straße zu gehen. Und die Staats- und Regierungschefs der Arabischen Liga, die sich am Wochenende zu einem Gipfel in Kairo trafen, mussten den wachsenden Zorn der Bevölkerung in ihren Heimatstaaten bei ihren Beratungen berücksichtigen. «Die Demonstration soll zeigen, dass wir Gefühle haben, dass wir mit den Palästinensern fühlen», sagt die 21-jährige Studentin Musawi, während sie gemeinsam mit 3.000 Libanesen und Palästinensern in Beirut gegen Israel und die USA protestiert. Auch in Syrien kam es wiederholt zu Protesten. In beiden Staaten leben rund 700.000 palästinensische Flüchtlinge. In Jordanien und Ägypten, wo Friedensverträge mit Israel bestehen, gab es bei Demonstrationen Gewalttaten. In Ägypten kritisierten Demonstranten die Untätigkeit ihrer Regierung und forderten den Einsatz der Armee. Und selbst in den Golfstaaten, wo Demonstrationen eher selten sind, fanden Proteste statt. Ein Satellitensender sammelte dort an einem einzigen Tag Spenden in Höhe von 22 Millionen Dollar (51 Millionen Mark) zur Unterstützung der Palästinenser. Im Medienzeitalter bringen Aufnahmen von Steinewerfern und Schießereien den Konflikt in die Wohnzimmer und veranlassen stärker denn je zum aktiven Handeln. Der zwölfjährige Mohammad el Dura, dessen Tod im Kugelhagel an der Seite seines verzweifelten Vaters vor drei Wochen im Gazastreifen gefilmt wurde, wurde für Araber in aller Welt zum Symbol des Konflikts. Als aufgebrachte Palästinenser Tage später zwei israelische Soldaten lynchten, konnten die Araber den darauf folgenden israelischen Raketenbeschuss palästinensischer Gebiete direkt im Fernsehen verfolgen. Sowohl der US-Sender CNN als auch El Dschasira, ein in der ganzen Region zu empfangender populärer Nachrichtensender aus Katar, berichteten live, auch zwei libanesische Sender und der Sender El Manar TV der Untergrundorganisation Hisbollah strahlten ähnlich dramatische Bilder aus. Informationen über Satellitenfernsehen und Internet Selbst im autokratisch regierten Syrien unternahmen die Behörden nichts, als in den größeren Städten offiziell verbotene Satellitenschüsseln auf den Dächern auftauchten. Auch das Internet spielte eine Rolle als Forum für Diskussion und für die Organisation von Protesten. In der gesamten arabischen Welt gingen politisch bewegte Aktivisten - von linksgerichteten Gruppierungen bis zu moslemischen Fundamentalisten - und einzelne Menschen, die das Gefühl hatten, etwas tun zu müssen, seit Beginn der Unruhen in den palästinensischen Gebieten auf die Straße. Die jordanischen Behörden verhängten zwar nach schweren Ausschreitungen ein Demonstrationsverbot, tolerierten die fortgesetzten Proteste aber. In Libanon durften die palästinensischen Flüchtlinge, die sonst unter strenger Aufsicht in Lagern leben, demonstrieren. Eine schwere Hypothek für die Politiker, die in Kairo einen Mittelweg
finden mussten zwischen dem Zorn der Massen und der Erkenntnis, dass nur
der Friedensprozess die Region voranbringt. «Wir müssen unsere
Gefühle als arabische Bürger mit unserer offiziellen Verantwortung
in Einklang bringen», sagte der ägyptische Außenminister
Amr Mussa.
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