Freie Presse (A), 23.10.2000 Israel verkündet eine "Pause" im Friedensprozeß Premier Ehud Barak erbringt Vorleistungen für eine Große Koalition mit Likud-Chef Ariel Scharon. JERUSALEM/KAIRO (ag.). Israels Premier Ehud Barak hat am Sonntag eine unbefristete "Pause" im Nahost-Friedensprozeß verkündet. Damit reagierte er auf die Forderung der arabischen Staatschefs nach einer UNO-Truppe zum Schutz der Palästinenser und nach einem internationalen Kriegsverbrechertribunal. Der palästinensische Planungsminister Nabil Schaat erklärte, Barak habe mit seiner Erklärung neuerlich an der Eskalationsspirale gedreht. Aus israelischen Regierungskreisen verlautete indes, die von Barak verkündete "Pause" bedeute nicht, daß Israel den Friedensprozeß beende. Beobachter meinen, daß damit die Grundlagen für eine Große Koalition mit der Rechtsopposition unter Ariel Sharon geschaffen werden sollen. Dem schwer angeschlagenen Barak bleibe keine andere Wahl, wolle er politisch überleben. Barak bekräftigte am Sonntag seine Absicht, nun eine "Notstandsregierung" zu bilden. Die Aussetzung des Friedensprozesses sei eine "natürliche" und "offenkundige Notwendigkeit", hieß es in einer Erklärung, die nach einer Kabinettssitzung in Jerusalem veröffentlicht wurde. Oppositionsführer Scharon hat die von Barak verkündete "Pause" als unzureichend zurückgewiesen. Israel müsse seinen "strategischen Besitzstand" - nämlich die jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten und insbesondere im Jordantal - behalten. Araber fordern UN-Schutz Zum Abschluß ihres zweitägigen Sondergipfels in Kairo - dem ersten seit zehn Jahren, an dem der Irak wieder teilnahm - appellierten die Staatschefs der Arabischen Liga "an den Sicherheitsrat und die Vollversammlung der Vereinten Nationen, den notwendigen Schutz der Palästinenser zu gewährleisten". Außerdem sollten sich "israelische Kriegsverbrecher" für die "Massaker an Palästinensern" vor einem internationalen Sondergerichtshof nach dem Vorbild des UNO-Kriegsverbrechertribunals für Ex-Jugoslawien verantworten müssen. Die arabischen Könige und Staatschefs haben Israel die alleinige Schuld am Ausbruch der Gewalt in den Palästinensergebieten zugewiesen und mit dem Abbruch der Beziehungen gedroht. In der Schlußerklärung wurde jedoch darauf verzichtet, dies von Ägypten und Jordanien direkt zu fordern. Beide Länder haben Friedensverträge mit Israel geschlossen. Tunesien hat indes beschlossen, sein 1996 eröffnetes Vertretungsbüro in Israel zu schließen; zugleich wird mit sofortiger Wirkung die israelische Repräsentanz in Tunis geschlossen. In der Deklaration wird Israel "für alle Schritte" verantwortlich gemacht, "die im Hinblick auf die Beziehungen arabischer Staaten zu Israel unternommen werden, einschließlich ihres Abbruchs". Israel wurde aufgefordert, Provokationen zu unterlassen und seine Aggression gegen Zivilisten zu stoppen. Als Soforthilfe werden die arabischen Länder eine Milliarde US-Dollar an die Palästinenser zahlen. Die Normalisierung im Verhältnis zu Israel soll von greifbaren Fortschritten im Friedensprozeß abhängig gemacht werden. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit und die multilateralen Zusammenarbeit sollen bis dahin gestoppt werden. Die Formulierungen der Deklaration stellen es offenbar den Regierungen frei, wie sie ihr Verhältnis zu Israel gestalten wollen. Die arabischen Staatsoberhäupter machten in ihrer Erklärung deutlich, daß es keinen Frieden im Nahen Osten geben wird, bis die Palästinenser die Souveränität über Ostjerusalem erlangen und dies die Hauptstadt eines unabhängigen Staates wird. Am Sonntag starb erneut ein palästinensischer Jugendlicher bei Zusammenstößen. Rund 300 palästinensische Schulkinder hatten einen israelischen Armeestützpunkt nahe der jüdischen Nizanit-Siedlung mit Steinen beworfen. Ein Armeesprecher sagte, die Soldaten hätten nicht mit scharfer Munition geschossen, sondern versucht, die Menge mit Gummigeschossen und Tränengas zu vertreiben. Der Leiter des Schifa-Krankenhaus in Gaza, in das der 14jährige eingeliefert wurde, sagte hingegen, der Bub sei von scharfer Munition am Kopf getroffen worden. Uneinigkeit in New York
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