junge Welt, 23.10.2000 BRD-Justiz: Fluchtgründe glaubwürdig« Verhaftungen und Erschießungen im Iran schützen nicht vor Abschiebung Mit einer öffentlichen Kundgebung vor der Hamburger Ausländerbehörde protestieren seit Dienstag vergangener Woche Exil-Iranerinnen und -Iraner gegen die Abschiebepraxis der Bundesregierung. Aufgerufen dazu haben ausschließlich in der BRD lebende Migrantinnen und Migranten, keine politischen Organisationen und Parteien. Ziel des Protestes sei es, so die Organisatoren, auf die Situation der hier lebenden Flüchtlinge aufmerksam zu machen und die Berichterstattung in der Presse über den Iran zu »korrigieren«. Dort sei von einem »demokratischen Prozeß« die Rede, der überhaupt nicht stattfände. In Wahrheit würden alle, die sich öffentlich gegen die jetzige Regierung äußerten, zum Schweigen gebracht. Von hier abgeschobene Asylbewerberinnen und -bewerber wurden im Iran mit Verhaftungs- und Erschießungsverfahren konfrontiert. Trotzdem hielten die bundesdeutschen Gerichte die angeführten Fluchtgründe für unglaubwürdig. Eine der von Abschiebung Bedrohten ist die Ärztin Nadia Mastoor. Für ihre politische Aktivitäten wurde die damalige Medizinstudentin zu acht Jahren Haft verurteilt, die sie von 1981 bis 1988 verbüßte. Nach ihrer Entlassung gelang es ihr, das Studium zu beenden und eine Anstellung in einem Krankenhaus zu bekommen. Als dort ihre politischen Aktivitäten bekannt wurden, mußte sie untertauchen. Sie floh zunächst nach Teheran, von dort aus kam sie auf Einladung der Hamburger Stiftung für Verfolgte in die Hansestadt. Nadia Mastoor wähnte sich zuerst einmal in Sicherheit. Im Iran war sie bereits vor ihrer Flucht erneut verurteilt worden, und eine Rückkehr würde vermutlich ihren Tod bedeuten. Deshalb stellte sie nach etwa einem halben Jahr in der BRD einen Asylantrag. Sie hatte keinen Grund zur Eile gesehen, schließlich hatte sie eine Aufenthaltsgenehmigung für ein Jahr. Ihr Antrag wurde mit der Begründung, sie habe ihn sofort nach ihrer Ankunft in Hamburg stellen müssen, abgelehnt. Inzwischen läuft ein Asylfolgeverfahren, und Nadia Mastoor hat eine Duldung ausgestellt bekommen. Sie weiß, daß das Dokument das Papier nicht wert ist, auf dem es gedruckt wurde. Jederzeit kann die Duldung für ungültig erklärt und sie in Abschiebehaft genommen werden. Nadia Mastoor ist kein Einzelfall. Deshalb haben die Betroffenen sich zum Protest entschlossen. Ein Ende der Aktion ist nicht abzusehen: »Die deutsche Regierung soll die Asylpolitik für iranische Flüchtlinge und Asylbewerberinnen neu debattieren«, heißt es in einem Flugblatt. »Wir werden so lange für unsere Rechte stehen, bis die Medien von uns berichten.« Flüchtlinge in anderen Städten sind aufgerufen, sich der Aktion anzuschließen und alle, »die für Frieden, Freiheit und gegen Menschenrechtsverletzungen sind«, eingeladen, sich an der friedlichen Dauerkundgebung in der Hamburger Amsinckstraße zu beteiligen. Wenn das alles nichts nützt, wollen die iranischen Migrantinnen und Migranten in den Hungerstreik treten. Birgit Gärtner, Hamburg
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