Die Welt, 23.10.2000 Aus dem Reichstag Eine Türkei-Reise des Verteidigungsausschusses sorgt für Unruhe in der CDU/CSU. Die SPD fürchtet offenbar, dass es bei der Begegnung mit türkischen Regierungsvertretern und Militärs zu heiklen Auseinandersetzungen über Fragen der deutschen Rüstungsexporte an den Nato-Partner kommt. Ankara zeigt immer deutlicher seine Verärgerung über die sich abzeichnende Nichtgenehmigung der Lieferung von Leopard-II-Panzern. Um einen Eklat zu vermeiden, hat der SPD-Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Helmut Wieczorek, das Reiseprogramm entschärft. Abgeordnete der CDU/CSU kritisieren, dass ein großer Teil des Besuchs nun bewusst an türkischer Seite vorbeiorganisiert werde, indem man nur noch Nato-Einrichtungen in der Türkei besuche. Damit solle ein direktes Aufeinandertreffen von Deutschen und Türken vermieden werden. "Das stinkt ganz gewaltig", beschwert sich der Vorsitzende der Unions-Verteidigungspolitiker, Paul Breuer. Hier gebe es offenbar ein gezieltes Zusammenwirken der Führung des Verteidigungsausschusses mit Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Joschka Fischers Auswärtigem Amt, um keine kritische Lage für die Bundesregierung entstehen zu lassen. Dieses Vorgehen, befürchtet Breuer, belaste die Beziehungen zwischen Ankara und Berlin. Inzwischen sei von Rot-Grün nicht nur die Lieferung der Leoparden infrage gestellt - selbst Ersatzteile für bereits gelieferte deutsche Waffensysteme würden der Türkei vorenthalten. Die CDU geht davon aus, dass sich vor allem das türkische Militär immer stärker an die USA und deren Rüstungsindustrie anlehnen wird. MJI
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