Frankfurter Rundschau, 24.10.2000 Nur satirische Überspitzung Beleidigungsklage gegen Hildebrandt gescheitert Die Staatsanwaltschaft Berlin hat die Ermittlungen gegen den Münchener Kabarettisten Dieter Hildebrandt eingestellt. Der hatte in der ARD-Sendung Scheibenwischer vom 12. April Mitarbeiter der Ausländerbehörde der Stadt Wiesbaden gefragt, ob sie "vielleicht noch nachträglich in die SS eintreten" wollten. Darauf hin hatte der Wiesbadener Oberbürgermeister Hildebrand Diehl (CDU) Strafanzeige gestellt, weil er seine Untergebenen "strafrechtlich relevant beleidigt" sah. Diese persönliche Ehrverletzung sei weder durch die Meinungsfreiheit noch durch die Freiheit der Kunst oder den Satirevorbehalt geschützt, so Diehl in seinem Strafantrag. Die Ausländerbehörde hatte im Frühjahr einen Türken abgeschoben, der bereits mehrfach vergeblich Asyl beantragt hatte, in seiner Heimat aber eigenen Angaben nach politisch verfolgt wird. Anschließend sollte auch die Familie zurück in die Türkei gebracht werden. Sie entzog sich dem aber zunächst durch ein Kirchenasyl, danach ist sie untergetaucht (die FR berichtete). Die Staatsanwaltschaft nahm zwar die Ermittlung auf, stellte die Untersuchung jetzt aber endgültig ein. Ihrer Ansicht nach sind Hildebrandts Fragen "Meinungsäußerungen im Rahmen einer vom Kunstbegriff erfassten Kabarett- beziehungsweise Satiresendung". Zumal Hildebrandt in seiner Sendung "erkennbar keinen ernsthaften Journalismus betreibe", so die Staatsanwaltschaft. Zwar erkennen auch die Berliner Juristen an, dass die rhetorischen Fragen Hildebrandts beleidigend sein können und an der Grenze zur Schmähkritik liegen, insgesamt werten sie allerdings das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung höher. Den Wiesbadener Oberbürgermeister nannte die Entscheidung "nicht nachvollziehbar und nicht verständlich". dia |