junge Welt, 24.10.2000

»Was heißt hier latent länderfeindlich?«

Cottbus: Anwälte von Neonazis beschuldigen Mordopfer Omar Ben Noui der Fahrlässigkeit

In Cottbus wurde am Montag der Prozeß gegen Neonazis, die den Algerier Farid Guendoul, der in der Bundesrepublik unter dem Namen Omar Ben Noui lebte, im Februar 1999 in den Tod gejagt hatten, fortgese tzt. Mit der Forderung nach »angemessener Bestrafung« für einen der mutmaßlichen Rädelsführer und einen weiteren Angeklagten hat die Verteidigung im sogenannten Cottbusser Hetzjagd-Prozeß ihre Plädoyers fortgesetzt.

Für zwei weitere der insgesamt elf Jugendlichen, die sich wegen des Todes von Farid Guendoul vor dem Landgericht verantworten müssen, beantragten die Anwälte am Montag Freispruch. Damit haben die Verteidiger bereits für insgesamt sechs Angeklagte Straffreiheit gefordert.

Mehrere Anwälte bezeichneten den Tod von Farid Guendoul als »tragisches Unglück«. Der Flüchtling aus Algerien habe sich »fahrlässig selbst gefährdet«, als er auf der Flucht die Scheibe einer Haustür einschlug. Diese »Überreaktion« hätten die Angeklagten nicht vorhersehen können. Farid Guendoul hatte auf der Flucht vor den Neonazis, die ihn durch die Straßen des brandenburgischen Guben gejagt hatten, in Todesangst die Scheibe einer Haustür eingeschlagen. Er hatte gehofft, sich im Flur des Hauses in Sicherheit bringen zu können. Bei dem Sprung durch die Glastür schnitt er sich eine Schlagader auf und verblutete.

Einige Verteidiger bestritten, daß ihre Mandanten, die in jener Nacht insgesamt drei Asylbewerber durch Guben gejagt hatten, aus rassistischen Motiven gehandelt hätten. »Was heißt denn latente Ausländerfeindlichkeit eigentlich? Haben wir die nicht im Grunde alle?« so einer der Anwälte wörtlich. Den Angeklagten sei es lediglich darum gegangen, einen Kubaner zu stellen und der Polizei zu übergeben, der sie an diesem Abend angegriffen habe. Ein Verteidiger sprach immerhin von einer »moralischen Schuld« der Jugendlichen an Guendouls Tod. Die Angeklagten wiesen erhebliche Erziehungsdefizite auf. Die Staatsanwaltschaft hatte fünf Jugendstrafen zwischen neun Monaten und dreieinhalb Jahren sowie sechsmal Bewährung wegen fahrlässiger Tötung, gefährlicher Körperverletzung und Volksverhetzung gefordert. Die Plädoyers wurden am Montag nachmittag fortgesetzt.

(AP/jW)