Die Presse (A), 25.10.2000 Zweckehe für den Machterhalt Israels Premier Barak kann politisch nur überleben, wenn ihn Likud-Chef Scharon unterstützt. DIE ANALYSE von SUSANNE KNAUL (JERUSALEM) Als Ehud Barak im Frühjahr vergangenen Jahres Koalitionsverhandlungen führte und sich mit allen großen Parteien einigte, nur mit dem Likud nicht, schimpfte Ariel Scharon darüber, daß Barak ihn als Druckmittel bei den Verhandlungen mit den anderen Parteien mißbraucht habe. Tatsächlich habe Barak nie vorgehabt, mit dem Likud eine Koalition einzugehen. Scharon hatte vermutlich recht. Ein Zusammengehen mit dem Likud hätte Barak den Weg zu Verhandlungen mit Syrien verbaut und eine Einigung mit den Palästinensern von vornherein ausgeschlossen. An beiden Fronten wird sich indes auf absehbare Zeit nichts bewegen. Barak hat dies bereits öffentlich eingestanden, indem er eine "Pause" im Friedensprozeß verkündete. Um mit Scharon die geplante "Nationale Einheitsregierung" bilden zu können, braucht Barak unter den gegebenen Umständen kaum noch politische Zugeständnisse zu machen. Umgekehrt hilft ihm der Oppositionsführer aus seiner mißlichen Lage im Kabinett, wo schon mehr leere Stühle stehen als besetzte. Die Alternative Neuwahlen wäre für beide Männer derzeit nicht günstig. Alle Prognosen geben Scharons schärfstem parteiinternen Konkurrenten, Ex-Premier Benjamin Netanjahu, die größten Chancen auf einen Wahlsieg. Scharon und Barak könnten sich also gegenseitig aus der Patsche helfen. Für die Palästinenser wäre der Einzug Scharons in Baraks Kabinett ein Schlag ins Gesicht. Mit dem Mann, der die Unruhen durch seinen Besuch auf dem Tempelberg provoziert hatte, ist sicher kein Verhandeln möglich. PLO-Chef Jassir Arafat wird vermutlich bei der nächstmöglichen Gelegenheit einen Palästinenser-Staat ausrufen, vielleicht schon am 15. November. Es ist der 12. Jahrestag der Staatsdeklaration von Algier. Für Arafat gibt es kaum noch Gründe, die Staatsdeklaration ein weiteres Mal aufzuschieben. Im vergangenen Jahr tat er es, um das Ergebnis der bevorstehenden Wahlen in Israel nicht ungünstig zu beeinflussen; und im vergangenen September war er erneut zu einem Aufschub bereit, um die fortlaufenden Verhandlungen nicht zu gefährden. Mit Scharon in der Regierung wird Israel auf die Staatsdeklaration mit Härte reagieren. Geplant ist eine Trennung der Völker und damit das Abkoppeln der Palästinenser von ihren wichtigsten Einnahmequellen in Israel. Die daraus folgende Not wird die Gewaltbereitschaft weiter anheizen.
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