Frankfurter Rundschau, 26.10.2000

IM BLICKPUNKT

Im Nahen Osten wenig zu bieten

Schröder reist nach Israel

Von Knut Pries (Berlin)

Jetzt erst recht - so das Motto von Gerhard Schröders Reise in die Frontstaaten der Nahost-Krise. Die Dienste, die der Bundeskanzler dort offerieren kann, sind aber bescheiden.

Dass Staatsmänner ihre Reisen schon deshalb als Erfolg verkaufen, weil sie überhaupt stattfinden, gehört zum Repertoire politischer PR. Die fünftägige Rundfahrt durch den Nahen Osten, zu der Bundeskanzler Gerhard Schröder am Samstag aufbricht, ist der rare Fall, wo der Anspruch nicht augenzwinkernd, sondern in völligem Ernst verkündet wird. Noch nie haben sich Schröder und seine Berater mit der Frage nach der Tunlichkeit so abgeplagt wie bei dieser Reise nach Ägypten, Jordanien, Libanon, Syrien, Israel und in die palästinensischen Gebiete.

Grundsätzlich ist es, fünf Jahre nach einer Visite Helmut Kohls, durchaus an der Zeit, dass sich ein deutscher Bundeskanzler mal wieder in der Region sehen lässt, die ja nicht nur eines der gefährlichsten Spannungsfelder der internationalen Politik ist, sondern auch Ort wichtiger nachbarschaftlicher Interessen und Empfänger beachtlicher wirtschaftlicher Hilfe der Europäischen Union. Die Vorbereitungen für den Besuch laufen denn auch schon seit fast einem Jahr. Auf der anderen Seite räumen zuständige Mitarbeiter im Kanzleramt ein, dass die Unternehmung im Zeichen der eskalierenden Krise zwischen Israel und den Palästinensern besonders heikel ist: Der Kanzler fahre in "ein diplomatisches Minenfeld".

Zwei Umstände sind es, deretwegen die Berliner Planer sich entschlossen haben, das Programm zwar zu verkürzen und der touristischen Elemente zu entkleiden, an der Sache selbst aber festzuhalten. Zum einen hätten die Regierungen sämtlicher Gastländer ebenso wie die maßgeblichen Verbündeten - die USA als der einzige wirklich einflussreiche Friedensmakler und die EU mit ihrem derzeitigen Vorsitzenden Frankreich - zugeraten. Zum anderen sei man zu dem Schluss gekommen, dass eine Absage ein fatales Signal an die Beteiligten wäre. Schröder werde "den Beweis antreten, dass er gerade in dieser gegenwärtigen kritischen Situation die Region nicht im Stich lässt."

Das Risiko der Enttäuschung bleibt groß. Israel drängt den Kanzler, Palästinenser-Chef Yassir Arafat zu mehr Konzilianz zu nötigen. Umgekehrt sehen auch die moderateren unter den arabischen Nachbarn nicht ein, warum sich Berlin aus Rücksicht auf die deutsche Geschichte an einem klaren Wort zur Frage der Verantwortung an der dramatischen Verschärfung des Konfliktes in den vergangenen Wochen und zum teilweise rabiaten Vorgehen der Israelis hindern lassen sollte. Schröder denkt hingegen nach Auskunft seiner Berater gar nicht daran, "bestimmte Verurteilungen durchzuführen". Die Klärung der Schuldfrage liege in der Hand der beim Gipfel von Scharm-el-Scheich vereinbarten Kommission, der man nicht vorgreifen dürfe.

So hat der Mann, der "als Freund" kommen will und von den meisten Gastgebern entsprechend erwartet wird, wenig mehr zu bieten als den Nachweis, dass er sich nicht drückt, sowie die Ermunterung, nicht vom einzig lösungsträchtigen Weg der Verhandlung abzuweichen. Von Vermittlerdiensten könne keine Rede sein, heißt es im Kanzleramt. Erstens seien dazu - trotz der bevorstehenden Ablösung von Präsident Bill Clinton - bis auf weiteres nur die USA in der Lage, und zweitens gelte: "Deutsche Nahost-Politik kann und wird nur europäische Nahost-Politik sein." Letztere, immerhin, gewinne unbestreitbar an Gewicht, was sich etwa an der "äußerst konstruktiven und hilfreichen Rolle" ablesen lasse, die der EU-Außenrepräsentant Javier Solana in Scharm-el-Scheich gespielt habe. Weil die bilateralen Beziehungen zu den Gastgeberländern nach deutscher Darstellung "traditionell ganz ausgezeichnet" sind, werden einschlägige Probleme - zum Beispiel eine bereits weit gediehene Schuldenregelung mit Syrien - auf der Reise nur eine Nebenrolle spielen.