Aachener Nachrichten, 27.10.2000 Schock über Gutachten - Abschiebung am Dienstag? Linden macht Calhan zur Chefsache Aachen (an-o). "Hüseyin Calhan ist reisefähig" - diese Meldung des Kreises Wesel sorgte gestern Mittag in Aachen für helle Aufregung und Betroffenheit. Trocken teilte der Kreis Wesel mit, dass Calhans Abschiebung voraussichtlich am kommenden Dienstag, 31. Oktober, "vollzogen wird". Der Paderborner Amtsarzt Dr. Peter Eicker hatte am vergangenen Dienstag die Untersuchung vorgenommen und dem 27-jährigen Kurden Reisefähigkeit attestiert. Entgegen der Auflage des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes, einen Facharzt für Psychiatrie oder Neurologie hinzu zu ziehen, war nur ein Dolmetscher für Calhan anwesend. Auch die Zusage des Kreises Wesel, Markus Reissen von der evangelischen Kirchengemeinde Düren als Vertrauensperson des Kurden bei der Untersuchung zuzulassen, wurde nicht eingehalten. Reissen: "Dr. Eicker wollte nicht einmal meine Telefonnummer aufschreiben, um mir mit zu teilen, wann die Untersuchung ist." Deutliche Worte fand gestern Aachens Oberbürgermeister Jürgen Linden: "Die Entscheidung des Kreises Wesel kann keine endgültige sein. Herr Calhan ist nur von einem Amtsarzt untersucht worden, ein Facharzt ist nicht hinzugezogen worden. Das widerspricht eindeutig der Auflage des Verwaltungsgerichtes. Der Amtsarzt hat zwar sozial-psychiatrische Erfahrung, aber ein Facharzt ist er eben nicht." Mit Calhans Kölner Anwältin Boley hat sich Linden in Verbindung gesetzt. Mit ihr hat Jurist Linden "einige Erfolg versprechende juristische Maßnahmen besprochen". Linden zu den "Nachrichten": "Der Kreis Wesel macht einen unverständlichen und unglaublichen Druck, da bezieht die Stadt Aachen Position." Der Kreis müsse der Auflage des Gerichtes Folge leisten. Linden kann sich auch nicht vorstellen, dass das Gericht von seiner Linie abweicht. "Das anstehende Eilverfahren kann auch mündlich verhandelt werden. Dann würde ein Vertreter der Stadt Aachen anwesend sein und nochmals das Angebot unterbreiten, Herrn Calhan aufzunehmen." Zahlreiche Stellungnahmen erreichten die "Aachener Nachrichten", nachdem sich die Meldung, "Calhan ist reisefähig" wie ein Lauffeuer verbreitet hatte. Pfarrer Herbert Kaefer war geschockt: "Wie kann man nur so mit einem Menschen umgehen? Die Politiker machen sich unglaubwürdig, wenn sie die Bürger auffordern, Zivilcourage zu zeigen und selber zu feige sind, Stellung für die Asylbewerber zu beziehen." Auch die Mitglieder der Härtefallkommission, die Ratsfrauen Rosa Höller-Radtke (SPD), Bernhardine Lüke (CDU) und Hilde Scheidt (Grüne), zeigten sich schockiert. Nach Auskunft von Rechtsanwältin Stephanie Boley hat der Kreis Wesel beim Verwaltungsgericht Düsseldorf beantragt, das amtsärztliche Gutachten wie ein fachärztliches zu bewerten. Dagegen hat sie Einspruch eingelegt. Georg Dünnwald |