taz, 27.10.2000 Amnesty und Pro Asyl haben jetzt mehr mitzureden Das Außenministerium hat die Situation in den Herkunftsstaaten von Flüchtlingen neu eingeschätzt. Ob jetzt weniger abgeschoben wird, weiß keiner BERLIN taz Die Kritik der Menschenrechtsorganisationen war ungewohnt zurückhaltend. Innerhalb eines Jahres hat das Auswärtige Amt alle Berichte überprüft, mit deren Hilfe Innen- und Justizbehörden einschätzen, ob Flüchtlinge gefahrlos in ihr Herkunftsland abgeschoben werden können. Erstmals wurden Informationen von Nichtregierungsorganisationen herangezogen. "Dass das Auswärtige Amt unsere Einwände ernsthaft diskutiert hat, finden wir sehr positiv. Was am Ende für den Flüchtling rausspringt, lässt sich nach so kurzer Zeit aber nicht sagen", resümierte gestern Bernd Mesovic von Pro Asyl. Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, wollte keine Prognosen abgeben, ob sich an den Abschiebeurteilen der Gerichte nun etwas ändere. Zumindest könnten die Richter mit Hilfe der überarbeiteten Berichte die Lage objektiver einschätzen. "Wir haben nur noch Tatsachen und Ereignisse dargestellt und auf Schlussfolgerungen ganz verzichtet", sagte Volmer. In Zukunft sollen die Berichte je nach Land alle sechs oder zwölf Monate aktualisiert werden. "Wenn sich die Lage dramatisch ändert, sind auch spontane Überarbeitungen möglich", sagte Volmer. Trotz Freude über die Beteiligung an der Erstellung der Berichte kam von den Nichtregierungsorganisationen auch Kritik. "Das Auswärtige Amt benutzt nach wie vor eine verharmlosende Sprache", kritisierte die deutsche Generalsekretärin von amnesty international, Barbara Lochbihler. Das führe bei den Gerichten zu ungerechtfertigten Abschiebeurteilen. Zudem läge das Auswärtige Amt mitunter falsche Maßstäbe zu Grunde. So stünde in einem Bericht, die Haftbedingungen entsprächen den regionalen Verhältnissen. "Das ist bei einem Land mit Menschenrechtsverletzungen doch keine Messgröße", beklagte Barbara Lochbihler. Volmer hielt dagegen, dass man Gefängnisse in Afrika nun mal nicht mit einer Strafvollzugsanstalt in Hessen vergleichen könne. Barbara Lochbihler bedauerte zudem, dass die Menschenrechtsorganisationen trotz ihrer Zuarbeit die fertigen Berichte nur über Umwege bekämen. Ludger Volmer verteidigte die "Geheime Verschlusssache Lageberichte". Die werden nicht veröffentlicht, weil wir die darin genannten Informanten schützen wollen und Rücksicht nehmen müssen auf außenpolitische Interessen", so Volmer. Nur Justizbehörden, Anwälte und Ausländerämter bekämen die Unterlagen auf Anfrage. RALF GEISSLER |