Frankfurter Rundschau, 27.10.2000 Verteidiger sehen in Hetzjagd nur einen dummen Streich Der Tod eines algerischen Asylbewerbers in Guben wird in Plädoyers als "Räuber-und-Gendarm-Spiel" eingestuft Von Wolfgang Kunath (Cottbus) Im Prozess um den Tod des algerischen Asylbewerbers Farid Guendoul hat die Verteidigung bestritten, dass der Algerier von ihren Mandanten in den Tod getrieben worden ist. Nach den Plädoyers der Verteidigung soll nun am 13. November das Urteil gefällt werden. Die Verteidiger der elf Angeklagten haben in dem Prozess vor dem Landgericht Cottbus unterstrichen, dass sich ihre Mandanten nicht der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht hätten. Es sei für die jungen Männer zwischen 17 und 20 Jahren nicht vorhersehbar gewesen, dass der 28-jährige Algerier bei seiner Flucht die Scheibe einer Haustür eintreten und sich dabei die tödlichen Verletzungen zufügen würde, sagte der Verteidiger von Rene K. am Donnerstag. Mit den Plädoyers der Verteidigung geht der so genannte Hetzjagd-Prozess nach fast 80 Verhandlungstagen seinem Ende zu. Das Urteil soll am 13. November, 21 Monate nach der Tat, gefällt werden. Die Dauer des Verfahrens war mehrfach Gegenstand öffentlicher Kritik, in deren Kreuzfeuer die Verteidigung stand, der Verzögerungstaktik vorgeworfen worden war. Umgekehrt schalten die Verteidiger den "Mainstream der veröffentlichten Meinung", wie der Anwalt Wolfgang Nahrath sagte, und die Nebenklage, die die "Gesinnung" der Angeklagten verurteilt sehen wolle. Anwalt Nahrath war früher Bundesführer der 1994 verbotenen "Wikingjugend". Nahrath zufolge bildeten Provokationen vietnamesischer Diskothekenbesucher und massive Drohungen eines mit einer Machete bewaffneten Kubaners den Ausgangspunkt des Konflikts am 13. Februar 1999, der mit dem Tod Farid Guendouls endete. Nicht die Angeklagten hätten eine Hetzjagd auf die Ausländer, sondern die Ausländer hätten eine Hetzjagd auf die Angeklagten veranstaltet. Der Polizei von Guben warf Nahrath Fehlverhalten vor, weil sie "die Jungs nicht ernstgenommen hat". Guendoul und zwei andere Ausländer waren zufällig des Wegs gekommen, als die Angeklagten in mehreren Autos herumfuhren, um den Kubaner zu suchen, der - so lautete die Parole - einen der ihren "aufgeschlitzt" habe. Einen Afrikaner hielten sie für den gesuchten Kubaner. Nahrath sagte, sein Mandant Steffen H. habe die drei erstmals gesehen, als sie "schon am Laufen" waren; dass Steffen H. aus dem Auto ausstieg, könne also "nicht kausal für die Flucht" der drei sein. Sie hätten "Räuber und Gendarm spielen" wollen, es habe sich um einen "Dummen-Jungen-Streich" gehandelt, der Schrei "Hass, Hass, Hass" sei "noch kein Angriff auf die Menschenwürde", so lauteten einige der Verteidiger-Argumente früherer Verhandlungstage. Für die beiden Rädelsführer hatte die Staatsanwaltschaft Haftstrafen zwischen 18 und 27 Monaten gefordert. Bei einigen der Angeklagten plädierte die Staatsanwaltschaft für höhere Strafen, die sich aber auch auf weitere, mit der Hetzjagd in Guben nicht direkt zusammenhängende Taten beziehen. Die Verteidiger forderten entweder Freisprüche, Arbeitseinsätze, Verwarnungen oder kurze Strafen auf Bewährung. Während Nahrath sich ausdrücklich auf die Rechte politisch Rechtsdenkender bezog, sagte der Verteidiger von Rene K., sein Mandant habe ein so diffuses Weltbild, dass Begriffe wie Ausländerhass oder Rechtsextremismus auf ihn "nicht passen". Begriffe wie "Fidschi" oder "Neger" seien für Rene K. nicht negativ belegt, eine rechte Gesinnung sei bei ihm nicht nachweisbar. K. hatte als einziger ein Geständnis ablegt, wofür er von anderen Angeklagten als "Verräter" gebrandmarkt wurde. Ein Teil der Angeklagten verfolgt die Verhandlungen mit kahlgeschorenen Köpfen. Zwei tragen schwarze Stiefel mit weißen Schnürsenkeln, was in der Szene als Zeichen der Gewaltbereitschaft gilt. |