junge Welt, 27.10.2000 Erster Schritt nach Karlsruhe Innenminister der Bundesländer einmütig für NPD-Verbot. jW-Bericht »In einem Land, in dem Gaskammern gestanden haben, in denen Millionen Juden getötet wurden, organisierten Antisemitismus zu dulden, ist unmöglich.« Mit diesen Worten kommentierte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) am Donnerstag in Düsseldorf das klare Votum der Konferenz der Länderinnenminister (IMK) für einen Verbotsantrag gegen die NPD. Bei ihrer Entscheidung stützten sich die Minister auf mehr als 500 Seiten vertrauliches Material, das die Verfassungsschützer von Bund und Ländern zusammengetragen hatten. Die NPD als aggressivste der rechtsradikal geprägten Parteien sei mitverantwortlich für ein geistiges Klima, »das den Boden für gewaltsame Übergriffe von Rechtsextremisten auf Ausländer sowie andere Minderheiten in Deutschland schaffe«, faßte der nordrhein- westfälische Innenminister Fritz Behrens den Tenor zusammen. Nach den Erkenntnissen der Verfassungsschützer kooperiert die NPD spätestens seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Udo Voigt im Jahre 1996 offen mit der militanten Neonazi- und Skinheadszene und bietet den Schlägerbanden durch die Anmeldung von Demonstrationen und Kundgebungen einen legalen Rahmen. Mitglieder und Anhänger der Partei seien auch häufig direkt an Gewalttaten beteiligt gewesen, konstatierten die Innenminister. Als Beispiel wurde der Überfall auf eine Gedenkveranstaltung an der KZ-Gedenkstätte Kemna in Wuppertal am 9. Juli 2000 genannt, bei dem mehrere Personen verletzt wurden. Auch in ihren Publikationen mache die Partei keinen Hehl aus ihrer antisemitischen, fremdenfeindlichen und rassistischen Zielrichtung, heißt es weiter. Der IMK- Vorsitzende Behrens hält deshalb das Risiko eines Scheiterns des Verbotsantrags für vertretbar gering. Dagegen seien die Vorteile nicht zu übersehen. So verliere die NPD bei einem Verbot den Anspruch auf die staatliche Parteienfinanzierung. Immerhin hat die Partei 1998 insgesamt 587 000 Mark und 1999 sogar 1,16 Millionen Mark von der öffentlichen Hand erhalten und damit ihre Propaganda finanzieren können. Der Beschluß war möglich geworden, nachdem die beiden CDU-regierten Länder Hessen und Saarland ihren Widerstand gegen die gemeinsame Entscheidung in letzter Minute aufgegeben hatten. Beschlüsse der IMK müssen einstimmig gefällt werden. In Schwerin äußerten dagegen vor der Jahrestagung der Länderregierungschefs der hessische Ministerpräsident Roland Koch und sein saarländischer Amtskollege Peter Müller (beide CDU) erneut Bedenken. Koch betonte, es wäre klüger, Rechtsradikale mit »offenem Visier« politisch zu bekämpfen. Dies betonte auch Müller. Er warnte, bei einem Scheitern des Verbotsantrages drohe ein »Persilschein« für die NPD oder für andere rechtsradikale Parteien, die einem solchen Verfahren nicht unterzogen werden. Auch innerhalb der Grünen und der FDP ist ein möglicher Verbotsantrag heftig umstritten. So ist bisher nicht abzusehen, ob der Bundesrat dem Beispiel der IMK folgen und sich dem Verbotsantrag anschließen wird. Die NPD gab sich unbeeindruckt von dem Votum der Innenminister. Ihr Pressesprecher Klaus Beyer verwies in einer Erklärung auf einen »absolut verstärkten Interessentenzulauf«. Die Mitgliederzahl sei seit Beginn der Verbotsdebatte im August dieses Jahres um 850 auf jetzt rund 7 000 gestiegen. |