web de 30.10.2000 19:19
Israel kündigt Offensive gegen militante Palästinenser an
- Überblick
Zahl der Todesopfer steigt auf 143 - Barak spricht vor Knesset -
Arafat bekräftigt Forderung nach Ost-Jerusalem
Jerusalem (AP) Einen Tag vor dem Israel-Besuch von Bundeskanzler Gerhard
Schröder hat Jerusalem eine Großoffensive gegen militante Palästinenser
angekündigt. Der stellvertretende Verteidigungsminister Ephraim Sneh
erklärte am Montag, die Armee werde nicht länger nur auf palästinensische
Angriffe reagieren, sondern selbst Initiative ergreifen. Bei den anhaltenden
Unruhen stieg die Zahl der Toten unterdessen auf 143. Schröder appellierte
nach Gesprächen mit der jordanischen Führung an die Konfliktparteien,
die Verhandlungen wieder aufzunehmen.
Im Westjordanland wurde am Montag ein 20-jähriger Palästinenser
tot aufgefunden. Der Mann wurde Ärzten zufolge während eines
Gefechts mit israelischen Soldaten erschossen. Dabei sei auch sein Bruder
getötet worden. Außerhalb von Jerusalem wurde die Leiche eines
Israelis entdeckt, der vermutlich von Palästinensern erstochen wurde.
In Jerusalem schoss ein Mann zwei israelische Wachleute an. Eines der
Opfer starb im Krankenhaus.
Sneh erklärte im Rundfunk, Israel werde Sonderheiten gegen militante
Palästinenser einsetzen. Für die jüngsten Angriffe der
schiitischen Hisbollah-Miliz machte er den syrischen Präsidenten
Baschar el Assad persönlich verantwortlich. Falls es zu weiteren
Terrorakten komme, werde Israel zu schärferen Maßnahmen gegen
Syrien greifen, drohte Sneh.
Nach dreimonatiger Sommerpause trat das israelische Parlament in Jerusalem
zusammen. Ministerpräsident Ehud Barak, der keine Mehrheit mehr hat,
sagte vor der Knesset, seine Hand sei weiter für den Frieden ausgestreckt.
Er lasse sich aber nicht zu weiteren Zugeständnissen zwingen. «Die
Gewalt wird nicht belohnt werden», betonte Barak. Die ultra-orthodoxe
Schas-Partei kündigte an, Barak einen Monat lang zu unterstützen.
Der Führer des rechtsgerichteten Likud-Blocks, Ariel Scharon, sagte,
er habe die Idee einer Notstandsregierung mit Barak nicht aufgegeben.
Der palästinensische Präsident Jassir Arafat bekräftigte
in Gaza seine Forderung nach Ostjerusalem als Hauptstadt eines palästinensischen
Staates. Laut Arafat will der PLO-Zentralrat am 15. November zusammentreten.
Er sagte jedoch nicht, ob das Gremium dann einen eigenen Staat ausrufen
wird.
Schröder besuchte am dritten Tag seiner Nahost-Reise Jordanien und
Syrien. Nach einem Treffen mit dem jordanischen König Abdullah II.
in Amman betonte er, zur Fortsetzung des Friedensprozesses seien Zugeständnisse
beider Seiten nötig. Danach flog er nach Syrien, wo er sich mit Assad
traf. Am (morgigen) Dienstag wird er in Israel, am Mittwoch in den palästinensischen
Autonomiegebieten erwartet.
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