Frankfurter Rundschau 31.10.2000 Kurs auf Eskalation Israel lässt seine Muskeln spielen: In Nahost verringert sich jeden Tag die Hoffnung auf irgendeinen Ausweg aus der völlig verfahrenen Situation Von Detlef Franke Israel, ohnehin die militärisch und ökonomisch stärkste Macht in der Region, lässt in der bewaffneten Auseinandersetzung mit den Palästinensern die Muskeln spielen. Nach der Ankündigung des PLO-Chefs Yassir Arafat, die Al-Aksa-Intifada werde weitergehen, bis über Jerusalem die Flagge der Palästinenser weht, und nach der Fortdauer der nächtlichen Schießereien haben die israelischen Militärs über Jericho den Belagerungszustand verhängt. Der stellvertretende Verteidigungsminister Ephraim Sneh kündigt ein härteres Vorgehen und den Einsatz für den Guerillakrieg geschulter Sondereinheiten der Armee an. Die Zeichen im Nahen Osten stehen beiderseits auf Eskalation. Die Verschärfung der Lage ist aber nicht nur der neuen Taktik Arafats anzulasten, der auf Konfrontation setzt. Sie ist nicht zuletzt dem allgemeinen Rechtsruck in der israelischen Innenpolitik geschuldet, wo sich derzeit ein Premierminister ohne parlamentarische Mehrheit um eine Koalition mit dem Likud und dessen Rechtsaußen Ariel Scharon bemüht. Ehud Barak kämpft um sein politisches Überleben und je mehr Stärke er gegenüber den Palästinensern demonstriert, umso höher steigen seine Chancen, Verbündete im rechten Lager zu finden. Die palästinensische Bevölkerung zahlt die Rechnungen, die ihr von der eigenen und von der israelischen Seite präsentiert werden. Schon hat die Zahl der Todesopfer die Marke 140 überstiegen. Selbst für jene, die nicht an den Auseinandersetzungen teilnehmen, wird der Alltag zu einem Überleben im Gefängnis. Und mit jedem Tag verringert sich die Hoffnung, dass es irgendeinen Ausweg aus der völlig verfahrenen Situation geben könnte.
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