Kölner Stadtanzeiger, 31.10.2000 Der Irak spielt mit der Waffe Öl Birgit Cerha Zug um Zug gewinnt Iraks Diktator Saddam Hussein an Selbstbewußtsein. Die volle Wiedereingliederung in die arabische Welt ist nur noch eine Frage kurzer Zeit, nachdem Bagdad zum erstenmal seit der Invasion Kuwaits 1990 vor zehn Tagen wieder an einem arabischen Gipfel teilnehmen durfte. Während mehr und mehr Staaten das inoffizielle Flugembargo durchbrechen und wieder Passagiermaschine - oft meist zu humanitären Zwecken deklariert - nach Bagdad entsenden, scheint das Regime am Tigris nun entschlossen, seine stärkste Waffe gegen den Erzfeind USA auszuspielen: Öl. Der hohe Ölpreis der vergangenen Monate hat Saddam eine einzigartige Chance in die Hände gespielt. Mit einem auch nur vorübergehenden Aussetzen seiner Ölexporte, könnte der Irak den Weltmarktpreis in schwindelerregende Höhen treiben und damit vor allem der amerikanischen Wirtschaft gerade rechtzeitig zu den Präsidentschaftswahlen schwer schaden. Zunächst drohte Bagdad zu diesem Zweck dem Nachbarn Kuwait, warf ihm vor, aus einem gemeinsamen Ölfeld im Grenzgebiet "schwarzes Gold", das dem Irak gehöre, zu stehlen. Als das Regime am Tigris indirekt mit "Maßnahmen" gegen das Emirat drohte, kletterte der Ölpreis gleich stark in die Höhe. Nun fügt Bagdad durch die Drohung, kein Öl mehr zu exportieren, wenn das UN-Sanktionskomitee nicht die Entscheidung der Regierung billige, Öl künftig nur gegen Euro zu verkaufen, dem Erzfeind wieder schwere Nadelstiche zu und hofft zugleich, die Europäer verstärkt für sich zu gewinnen. "Wir wollen Europa mit unserer Politik nicht schaden", betont man entschieden im Bagdader Außenministerium. Der Irak exportiert derzeit etwa 2,3 Millionen. Barrel im Tag, etwa fünf Prozent der weltweiten Ölausfuhren. Saudi-Arabien versprach zwar, im Falle irakischen Ausfuhrstopps einzuspringen, doch Ölexperten meinen, das Königreich verfüge nicht mehr über ausreichende zusätzliche Kapazität, um das irakische Loch zu stopfen. Bagdads Beschwerden gegen Washington sind lang. Da geht es primär um die Beibehaltung der zehnjährigen Sanktionen, die die Amerikaner, mit britischer Unterstützung, gegen den wachsenden Widerstand anderer Mächte - Russland, Frankreich und China vor allem - mit dem Argument durchsetzen, der Irak hätte bis heute noch nicht alle Massenvernichtungsmittel zerstört. Bagdad leugnet dies. Das Regime schöpft Zuversicht aus der wachsenden internationalen Kritik am Sanktionsregime, sowie an dem von der UNO, unter US-Druck, seit 1996 laufenden "Öl-für-Nahrungs-"Programm. Nach einer von Bagdad veröffentlichten Statistik wurden seit Beginn des von der UNO verwalteten Programms bis September dieses Jahres von den 31,6 Milliarden Dollar Erträgen aus offiziellen Ölexporten nur 8,3 Milliarden. für humanitäre Güter und Ersatzteile für die Ölindustrie ausgegeben. 1,9 Milliarden Dollar stehen für Verträge bereit, die das UN-Sanktionskomitee bisher nicht gebilligt hat, und 9,5 Milliarden wurden in einen Kompensationsfonds für die Opfer der irakischen Aggression eingezahlt. Bis heute konnte Bagdad seine Ölindustrie nicht modernisieren und auf den aktuellsten Stand bringen, sowie neue Quellen erschließen, weil das Sanktionskomitee zahlreiche Verträge nicht oder noch nicht billigte. Irakische Regierungskreise versäumen keine Gelegenheit, Besucher und die internationale Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass ihr Land innerhalb von nur zwei Jahren fünf Millionen Barrel an Öl exportieren könnte, wenn es die nötigen Ersatzteile und technischen Vorrichtungen erhielte. |