Aachener Nachrichten online, 31.10.2000 Calhan in Gewahrsam genommen Aachener Friedenspreisträger ist in die Türkei abgeschoben Aachen/Düsseldorf (an-o). Der Kurde Hüseyin Calhan (27) ist am Dienstag in die Türkei abgeschoben worden. Um 18 Uhr ist die Maschine der mazedonischen Fluggesellschaft MAT mit Calhan an Bord in Istanbul gelandet. Der Aachener Friedenspreisträger und Sprecher des Kirchenwanderasyls wurde sofort in Gewahrsam genommen. Drei Mitarbeiter des deutschen Generalkonsulats erwarteten Calhan, der vom Aachener Landtagsabgeordneten Rainer Priggen (Grüne) begleitet wurde, am Istanbuler Flughafen. Die Polizei nahm den Kurden im Empfang, um nun seine Identität zu überprüfen. Die istanbuler Polizeipräsidentin erläuterte Priggen und den Mitarbeitern des deutschen Konsulats, dass es sich dabei um die übliche Vorgehensweise handele. Morgen Vormittag soll Calhan wieder auf freien Fuss gesetzt werden. MdL Priggen wird voraussichtlicht ein paar Tage in einem Istanbuler Hotel verbringen, bis sicher gestellt ist, dass dem 27-jährigen Kurden kein Leid geschieht. Für Calhan ist ebenfalls ein Hotelzimmer reserviert. Noch in der Nacht von Montag auf Dienstag demonstrierten etwa150 Calhan-Freunde zwölf Stunden lang vergeblich vor dem Abschiebegefängnis in Büren (Westfalen), um eine "Begnadigung" für Calhan zu erwirken. Am Flughafen in Düsseldorf versammelten sich rund 30 Mitarbeiter des Kirchenwanderasyls aus Aachen und Mönchengladbach. Auch ein Versuch des Aachener Friedenspreises sowie des Kirchenwanderasyls, per Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht Münster Calhan in Bukarest frei zu bekommen, schlug am Dienstag Nachmittag fehl. Auch die Interventionen des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD), der am Montag Abend vom Aachener Friedenspreis sowie dem Kirchenwanderasyl angehalten wurde, sich für Calhan einzusetzten, erreichten nichts mehr. Gerhard Diefenbach, Vorsitzender des Vereins Aachener Friedenspreis im Gespräch mit den Nachrichten: "Es ist unglaublich, wie das Innenministerium und der Kreis Wesel mit einer solchen Kaltschnäuzigkeit die Abschiebung durchsetzt. Nicht einmal die Appelle des Aachener Stadtrates und des Bischofs von Aachen haben etwas genutzt." Diefenbach deutete an, dass Calhan in der Türkei mit Repressalien zu rechnen habe. Am Dienstag vormittag hat sich Mehmet Kilic aus der Türkei beim Kirchenwanderasyl gemeldet. Markus Reissen von der evangelischen Gemeinde zu Düren, der am frühen Nachmittag mit Kilic telefonieren konnte, im Gespräch mit den Nachrichten: "Kilic ist kurz nach seiner Freilassung 500 Meter von der Polizeistation entfernt von Zivilpersonen festgenommen und während der nachfolgenden siebentägigen Haft mehrfach geschlagen worden". Der Träger des Aachener Friedenspreises Mehmet Kilic wurde am 24. Oktober in die Türkei abgeschoben und ebenfalls zur Feststellung seiner Personalien festgehalten. Eilantrag schlug fehl Die Zivilpolizisten hätten ihm angedeutet, dass das noch nicht alles sei. Reissen: "Das zeigt, dass es unmöglich ist, Menschen, die einmal abgeschoben sind, wirksam zu schützen". Der Generalvikar des Bistums Aachen, Manfred von Holtum, hat am Dienstag Nachmittag die Abschiebung Calhans kritisiert. Der "Kanzler" des Bischofs sagte: "In den letzten Monaten haben viele Menschen intensiv um eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gerungen. Dieses Engagement wurde nun enttäuscht." Wie am Dienstag bekannt wurde, hat die Vorsitzende des türkischen Menschenrechtsvereins IHD, die türkische Anwältin Eren Keskin, die Vertretung Calhans gegenüber den türkischen Behörden übernommen. Markus Reissen: "Das ist noch das Beste, was uns passieren konnte." Georg Dünnwald |