Süddeutsche Zeitung, 2.11.2000 Grundsatzpapier zur Zuwanderung CDU prüft Änderung des Asyl-Artikels Innenexperte Bosbach: Einschränkung des Grundrechts wird zunächst nicht gefordert / Von Susanne Höll Berlin - Im Streit über eine Zuwanderungsregelungen will die Union offenbar zunächst keine Konfrontation mit Rot-Grün über eine Einschränkung des Asyl-Grundrechts suchen. Das Grundsatzpapier, das das Parteipräsidium am kommenden Montag verabschieden und das als Basis für die Arbeit der CDU-Zuwanderungskommission dienen soll, wird dem CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach zufolge keine Forderung nach einer Verfassungsänderung enthalten. "Das Problem Asyl wird angesprochen, aber nicht konkret", sagte Bosbach der Süddeutschen Zeitung. Die CDU-Kommission unter dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller werde prüfen müssen, ob zur Lösung dieser Probleme eine Grundgesetzänderung nötig sei oder ob neue Regelungen reichten - etwa beim Asylverfahrensgesetz. Aus der Union ist der Ruf laut geworden, zusammen mit einer Einwanderungsregelung das individuelle Asyl-Grundrecht in eine institutionelle Garantie umzuwandeln, um die Zahl der Asylbewerber zu begrenzen. SPD und Grüne lehnen dies ab. Der Asyl-Streit gilt als eine der wichtigsten Hürden für eine Zuwanderungsregelung. Bosbach, der zusammen mit Müller das Grundsatzpapier erarbeitet, befürwortete mit Blick auf die EU-Harmonisierung eine Grundgesetzänderung. "Doch eine Grundgesetzänderung ist kein Selbstzweck. Wenn es ohne gehen sollte, kann man das nicht beklagen ", fügte er hinzu. Das Grundsatzpapier ist der offizielle Beginn der CDU-Einwanderungsdebatte. Nach Bosbachs Worten werden darin keine Details genannt, sondern der Rahmen für die Kommissionsarbeit abgesteckt. Zwei strittige Formulierungen Müllers zur Zuwanderung sollen in dem Papier nicht vorkommen. Der Ministerpräsident hatte in einem Eckpunkte-Papier geschrieben: "Das Boot ist nicht voll" und "Deutschland ist ein Einwanderungsland". Damit war er im CDU-Präsidium am 23. September auf Kritik gestoßen, auch weil man neuen Streit in den eigenen Reihen und mit der Schwesterpartei CSU befürchtete. Nach Angaben aus CDU-Kreisen hat Müller die Sätze inzwischen zurückgezogen. Strittig ist auch, ob es noch in dieser Legislaturperiode neue Zuwanderungsregelungen gibt und das sensible Thema damit aus dem Bundestagswahlkampf herausgehalten werden kann. Experten aller Fraktionen halten es für möglich, bis 2002 neue Verordnungen und Vorschriften zu erlassen. Für ein umfassendes Gesetz dürfte die Zeit nach Einschätzung der Fachleute aber nicht reichen. |