Die Welt, 2.11.2000 Migrationspolitik: CDU-Spitze sucht den Konsens Berlin - Die CDU-Führung bemüht sich darum, die vielstimmige innerparteiliche Diskussion um die Zuwanderung zu bündeln und ihr eine verbindliche Linie vorgeben. Präsidium und Vorstand der CDU wollen am kommenden Montag Eckpunkte ihrer künftigen Einwanderungs-, Asyl- und Integrationspolitik beschließen, wie eine Parteisprecherin gestern mitteilte. Das Grundlagenpapier werde vom Vorsitzenden der CDU-Zuwanderungskommission, dem saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller, und dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Bosbach erarbeitet. Dieser hatte im Juni ein eigenes Diskussionspapier zu dem Thema vorgelegt und damit den Kurswechsel in der Einwanderungspolitik der Union eingeleitet. Ein erstes, offenbar allzu forsches Papier Müllers war im Parteipräsidium durchgefallen. CDU-Chefin Angela Merkel soll dessen Entwurf in der Präsidiumssitzung am Montag letzter Woche wegen inhaltlicher Differenzen wieder eingesammelt und dem Autor eine Überarbeitung aufgetragen haben. Vor allem Formulierungen wie "Deutschland ist ein Einwanderungsland" und "Das Boot ist noch nicht voll" sollen auf Kritik gestoßen sein, da sie sich zu unvermittelt von bisherigen Positionen der Union absetzten. Gestern machte Müller den Vorschlag, Einwanderer sollten nach amerikanischem Vorbild auf die Verfassung vereidigt werden. Unterdessen distanzierte sich die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) von dem Begriff der "Deutschen Leitkultur". Sie hingegen fühle sich in der europäischen Wertegemeinschaft sehr wohl, sagte Roth am Dienstagabend in der Fernsehsendung "Vorsicht! Friedman", die vom Hessischen Rundfunk und dem ORB ausgestrahlt wurde. Die CSU hält ihrerseits die Zuwanderungsdebatte in ihrer Schwesterpartei CDU bereits in ihrem Sinne für entschieden. "Die satte Mehrheit der Fraktion wird in der Ausländerpolitik mit der CSU eine strenge Linie fahren", sagte der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Wolfgang Zeitlmann. Andere Stimmen in der Union kämen nur von vereinzelten "Gutmenschen". |