Frankfurter Rundschau, 2.11.2000 Schröder bietet Arafat Hilfe an Kanzler warnt Palästinenser vor Staatsproklamation Von Inge Günther Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Palästinenserpräsident Yassir Arafat bei seinem Besuch in Gaza-Stadt zugesagt, dass 50 schwer verletzte Palästinenser in Deutschland behandelt werden können. Schröder warnte am Mittwoch zugleich vor "Einseitigkeiten jeder Art" in der jetzigen kritischen Situation, etwa der Proklamation eines Palästinenserstaates. JERUSALEM, 1. November. Arafat dankte dem Bundeskanzler für die humanitäre Geste. Hohe Anerkennung verdiene Schröder auch dafür, dass er sich trotz der schwierigen politischen Lage von einem Besuch nicht habe abhalten lassen. Damit beweise sich, "dass der Kanzler ein großes Interesse an Frieden in der Region und Bereitschaft zur Unterstützung besitzt", sagte der Palästinenserpräsident. Wegen der gefährlichen Lage in den palästinensischen Gebieten galt die letzte Etappe der fünftägigen Nahost-Reise Schröders als besonders brisant. Auf Bitten Arafats war das in Bethlehem geplante Treffen mit Schröder kurzfristig nach Gaza verlegt worden. Seit Ausbruch der Unruhen vor einem Monat hat der Autonomiechef nicht mehr das Westjordanland besucht. Auch der Mittwoch stand im Zeichen neuer Gewalt. Vor allem der Gaza-Grenzübergang Karni entwickelte sich zu einem Brennpunkt. Während auf einer Beerdigung von vier am Vortag getöteten Palästinensern Tausende zornige Parolen skandierten, lieferten sich dort israelische Soldaten und Fatah-Kämpfer wieder Gefechte. Zwei Palästinenser wurden erschossen. Ein dritter, ein Polizist, starb bei Unruhen nahe Bethlehem. Nahe der Stadt Kalkilia beschossen Palästinenser einen israelischen Bus und verletzten einen Insassen. Bei der Begegnung mit Arafat äußerte Schröder sein Mitgefühl. Das Leid der Bevölkerung, vor allem der jungen, habe ihn bewegt. Gleichzeitig machte der Kanzler deutlich, dass eine Konfliktlösung nur über den Weg des Gewaltverzichts möglich sei, wie er in Scharm-el-Scheich vereinbart wurde. Ermutigt zeigte er sich nach dem Treffen darüber, dass Arafat zu einem Vermittlungsgespräch mit US-Präsident Bill Clinton bereit sei, "wenn die Bedingungen stimmen". Der Kanzler bekräftigte den Beschluss der EU zum Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser, warnte aber vor einer einseitigen Staatsdeklaration: "Einseitigkeiten aller Art müssen vermieden werden, weil sie den Friedensprozess hemmen werden." Israels Premier Ehud Barak gab grünes Licht für ein Treffen zwischen seinem Minister Schimon Peres und Arafat, das am Mittwochabend stattfinden sollte. Dabei gehe es darum, hieß es, einen Mechanismus zu finden, der dem PLO-Führer die Durchsetzung eines Waffenstillstands erleichtern könnte. Zusammen mit dem 1995 ermordeten Yitzhak Rabin hatten Peres und Arafat den Friedensnobelpreis als Anerkennung für die Osloer Verträge erhalten. Es bestehe daher eine besondere Vertrauensbasis. Zudem flog Außenminister Schlomo Ben-Ami zu Beratungen über ein Kompromissangebot der USA nach Washington. |