Süddeutsche Zeitung, 2.11.2000 Israel und Palästinenser suchen Ausweg aus der Krise Neue Initiative im Nahost-Konflikt Ehemaliger Regierungschef Peres trifft sich mit Arafat / Schröder verspricht in Gaza den Palästinensern Aufbauhilfe / Von Petra Steinberger Jerusalem - Trotz der andauernden Gewalt in Nahost suchen Israel und Palästinenser wieder verstärkt nach einer friedlichen Lösung des Konflikts. Israels Minister für regionale Angelegenheiten, Schimon Peres, wollte noch am Abend mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat zusammentreffen. Außenminister Schlomo Ben-Ami sprach in Washington mit US-Außenministerin Madeleine Albright; auch der palästinensische Unterhändler Saeb Erakat wird in Washington erwartet. Bundeskanzler Gerhard Schröder versprach am Ende seiner fünftägigen Nahostreise in Gaza den Palästinensern weitere Aufbauhilfe. Arafat wollte mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Peres noch am Mittwochabend, spätestens aber am Donnerstag zu Gesprächen in Bethlehem zusammenkommen. Peres ist als Minister für regionale Zusammenarbeit der erste israelische Minister - außer Premierminister Ehud Barak -, der seit dem Beginn der neuen Unruhen vor mehr als einem Monat offiziell mit dem palästinensischen Präsidenten beraten will. Peres wird von den Palästinensern geschätzt; allerdings gilt sein Einfluss in der israelischen Politik als gering. Barak gab derweil bekannt, dass er am Donnerstag voriger Woche in einem geheimen Telefonat von Arafat verlangt habe, die Gewalt durch die Palästinenser zu beenden. Schröder warnt vor Ausrufung eines Palästinenserstaats Unterdessen traf der amtierende israelische Außenminister Schlomo Ben-Ami mit der amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright in Washington zusammen. In den nächsten Tagen wird auch der palästinensische Hauptunterhändler Saeb Erakat in der amerikanischen Hauptstadt erwartet. US-Präsident Bill Clinton hat sich in diese Kontakte noch nicht offiziell eingeschaltet. Nach amerikanischen Regierungsquellen wird auch über Washington-Besuche von Arafat und Barak nach den amerikanischen Präsidentschaftswahlen am 7. November diskutiert. Doch sind Israelis und Palästinenser durch innenpolitischen Druck kaum in der Lage, zu diesem Zeitpunkt weit reichende Zugeständnisse zu machen, während den USA wegen der bevorstehenden Präsidentschaftswahl wenig mehr bleibt, als Vorschläge zu machen. Bundeskanzler Schröder traf sich zum Abschluss seiner Nahostreise in Gaza mit Palästinenserpräsident Arafat. Schröder sagte bei dem Gespräch zu, Aufbauhilfe vor allem für Infrastrukturprojekte zu gewähren und so seinen "Beitrag zum Frieden" zu leisten. Er betonte, das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser und das Recht auf einen eigenen Staat stünden außer Zweifel. Doch warnte er vor der Ausrufung eines Palästinenserstaats am 15. November, weil "Einseitigkeiten aller Art" den Friedensprozess behindern würden. Deutschland will nach Angaben Arafats auch 50 Palästinenser aufnehmen, die bei den jüngsten Unruhen schwer verletzt wurden. Arafat bekannte sich zu dem Ziel, die Friedensbemühungen im Nahen Osten fortzusetzen. Er dankte dem Bundeskanzler "für seine Hilfe, den Friedensprozess zu retten", und bat ihn, diese Bemühungen fortzusetzen. Am Dienstag hatte Schröder Israel besucht. Er bot zum ersten Mal offiziell Unterstützung an, um die vier im Libanon gefangen gehaltenen israelischen Soldaten freizubekommen. Schröder erklärte in Jerusalem, Deutschland werde sich mit seinen Möglichkeiten bei den Nachbarn Israels einsetzen. Die Hilfe werde "ebenso diskret wie bestimmt sein". Es geht dabei um vier Soldaten, die von der schiitischen Miliz Hisbollah entführt wurden. Der israelische Ministerpräsident Barak dankte Schröder für die Hilfe. Bei der Begrüßung in Jerusalem hatte der Bundeskanzler erneut "mit heißem Herzen" für Frieden im Nahen Osten geworben. Das unveräußerliche Recht Israels und seiner Bürger, friedlich und sicher zu leben, stehe außer Zweifel. Aber Frieden könne es nur ohne Gewalt geben. "Ich bin als Freund Israels und als Freund seiner Bürger gekommen", betonte der Bundeskanzler. Am Abend besuchte Schröder in Jerusalem die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem. Bei neuen schweren Zusammenstößen in der Nähe der Karni-Kreuzung im Gaza-Streifen wurden unterdessen mindestens drei junge Palästinenser von der israelischen Armee erschossen. Bei Kämpfen in der Nähe von Bethlehem kamen nach einem Bericht des Fernsehens von Abu Dhabi zwei israelische Soldaten ums Leben. |