Süddeutsche Zeitung, 4.11.2000 Eckpunkte-Papier zur Zuwanderung CDU will Schlagwort "Leitkultur" doch verwenden "Jetzt auf den Ausdruck zu verzichten wäre unglaubwürdig" / Entwurf sieht Integrationskurse für Ausländer vor / Von Susanne Höll Berlin - Die CDU will den von Unionsfraktionschef Friedrich Merz verwendeten Begriff "deutsche Leitkultur" nun doch in ihrem neuen Eckpunkte-Papier zur Zuwanderung verwenden. In Partei- und Fraktionskreisen hieß es, das Schlagwort werde entgegen allen Erwartungen in der Vorlage für das CDU-Präsidium am Montag auftauchen. "Jetzt auf den Ausdruck zu verzichten, wäre unglaubwürdig", hieß es. Die Entscheidung sei zwischen Merz und Parteichefin Angela Merkel abgestimmt. "Es gibt dabei zwischen den beiden keine Differenzen", verlautete aus den Kreisen. In dem Entwurf des Eckpunkte-Papiers, den der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Wolfgang Bosbach am Donnerstag erarbeitet und Merz und Merkel vorgelegt hatten, war das Schlagwort nicht enthalten. Der Begriff ist auch in der CDU strittig. Auch Müller beurteilt ihn kritisch. "Reizworte sind möglicherweise kontraproduktiv", sagte er im ZDF. Merkel zeigte sich zunächst ebenfalls skeptisch, hatte den Ausdruck zuletzt aber mehrmals öffentlich verwendet und gefordert, ihn mit Inhalt zu füllen. Merz hatte zuletzt erklärt, er hänge nicht an Begriffen. Wie auch der designierte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer zeigte er sich zufrieden über die Debatte, die der Begriff ausgelöst hatte. "Wenn wir nicht über das Thema ,deutsche Leitkultur' in den letzten 14 Tagen lebhaft debattiert hätten, wären wir wahrscheinlich auch in der innenpolitischen Diskussion noch nicht so weit", sagte Merz der Süddeutschen Zeitung mit Blick auf die ausländerpolitischen Diskussionen bei anderen Parteien. Meyer, der sich noch vor Tagen skeptisch über den Begriff geäußert hatte, nannte die Debatte über die Leitkultur in der Kölner Zeitung Express einen "grandiosen Erfolg". Er selbst erregte mit seiner Aussage, er sei stolz, ein Deutscher zu sein, inzwischen auch Aufsehen in den USA. Die Tageszeitung Herald Tribune zitierte ihn damit am Freitag auf der Titelseite in einem Bericht über die Debatte um Leitkultur und deutsches Selbstverständnis. In den meisten anderen Ländern würde dieser Satz keine große Aufmerksamkeit finden, hieß es in dem Artikel. Doch in Deutschland, das ständig von seiner Geschichte verfolgt werde, "läuft manchen schon beim einfachsten Ausdruck von Patriotismus ein kalter Schauer über den Rücken", hieß es in dem Zeitungsbericht weiter. Das CDU-Eckpunkte-Papier soll den Rahmen für die internen Debatten über Einwanderung stecken. Die CDU will nach Angaben aus Partei- und Fraktionskreisen auch neue Integrationskurse für Zuwanderer fordern. In dem Entwurf für das Eckpunkte-Papier heißt es, Ausländer sollten dort die deutsche Sprache sowie Grundzüge der Rechtsordnung, der Geschichte und der Kultur lernen. Merz forderte die Bundesregierung auf, alsbald Vorschläge für ein Einwanderungsgesetz zu machen. Die Union werde das Thema Einwanderung mit der Asylrechtsfrage verbinden, sagte Merz. Die Union befürwortet eine Grundrechtsänderung, SPD und Grüne nicht. Merz setzt sich für eine Zuwanderungsregelung ein, die der deutschen Wirtschaft und der Gesellschaft nützt. "Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das Zuzug und Integration aus der Interessenlage der Bundesrepublik Deutschland, nicht ausschließlich aus Sicht der Zuwanderer regelt." Die Debatte müsse man unter Nützlichkeitsaspekten führen: "Der entscheidende Punkt wird sein, dass wir bereit sind, über die Frage zu sprechen, wen wollen wir und wen nicht
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