WEB.DE 04.11.2000 17:32 Nahost: Tränengas tötet Säugling Ramallah/Gaza (dpa) - Ungeachtet der vereinbarten Waffenruhe ist es in den Palästinenser-Gebieten auch am Samstag wieder zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen palästinensischen Demonstranten mit der israelischen Armee gekommen. Dabei wurde nach palästinensischen Angaben ein 23 Tage alter Säugling in Hebron getötet und ein 14-jähriges Mädchen durch einen Kopfschuss schwerst verletzt. Die Ausschreitungen erreichten dennoch nicht das Ausmaß der Unruhen vor der am Donnerstag vereinbarten Waffenruhe. Dutzende von Jugendlichen bewarfen erneut israelische Posten am Rande mehrerer Städte und Dörfer im Westjordanland und Gazastreifen. Die Israelis setzten nach palästinensischen und eigenen Angaben überwiegend Tränengas und Gummimantel-Stahlgeschosse gegen die Demonstranten ein. In der Stadt Hebron im Westjordanland wurde nach palästinensischen Angaben ein 23 Tage alter Säugling getötet, als die Wohnung, in der das Baby lag, von einer Tränengas-Granate getroffen wurde. Das Kind erstickte nach Angaben seiner Eltern. Ein 14-jähriges Mädchen geriet auf dem Heimweg von der Schule zwischen die Fronten und wurde durch ein Gummimantel- Geschoss so am Kopf getroffen, dass es im Krankenhaus für klinisch tot erklärt wurde. Mehrere Palästinenser erlitten bei den Zusammenstößen meist leichte bis mittlere Verletzungen. Ärzte im Schifa-Krankenhaus von Gaza bestritten allerdings Erklärungen der israelischen Armee, dass Soldaten nur Gummimantel-Geschosse einsetzten. Sie behaupteten sogar, Israel feuere die berüchtigten Dum-Dum-Geschosse gegen Demonstranten, die beim Austritt aus dem Körper verheerende Wunden hinterlassen. Israel hat die Verwendung dieser international geächteten Munition stets energisch bestritten. Bei Zusammenstößen am Freitag waren zwei Palästinenser im Westjordanland getötet und mehr als 200 verletzt worden. Zu neuen Ausschreitungen kam es am Samstag unter anderem in dem Dorf Hisma bei Jerusalem, wo zwei bei Zusammenstößen getötete Palästinenser beerdigt wurden. Israel setzte gegen schwer bewaffnete Palästinenser bei Bethlehem und bei Chan Junis im Gazastreifen erneut schwere Waffen und Kampfhubschrauber ein. Bei den Unruhen sind seit Ende September mehr als 180 Menschen, überwiegend Palästinenser, ums Leben gekommen. Trotz der zahlreichen Zusammenstöße am Freitag und Samstag brachten israelische Regierungsvertreter die Hoffnung zum Ausdruck, dass Palästinenser-Präsident Jassir Arafat die Gewalt in den nächsten Tagen weiter eindämmen kann. Arafat und der israelische Ministerpräsident Ehud Barak werden voraussichtlich in der kommenden Woche zu getrennten Sondierungsgesprächen mit der US-Regierung nach Washington reisen.
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