Südostschweiz Online, 4.11.2000 Ein halbes Jahrhundert Menschenrechte Die Europäische Menschenrechtskonvention wird heute 50 Rom steht für zwei Tage ganz im Zeichen der Menschenrechte: Die Aussen- und Justizminister der 41 Mitgliedstaaten des Europarates feiern 50 Jahre Menschenrechtskonvention. Italien drängt auf europaweite Abschaffung der Todesstrafe. VON SABINE SEEGER-BAIER, ROM Schleppende Gerichtsverfahren, unzumutbare Haftbedingungen, Beschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, Verletzung von Eigentumsrechten, körperliche Züchtigung. 8000 Beschwerden dieser und ähnlicher Art lagen den Menschenrechts-Institutionen in Strassburg seit Beginn der Fünfzigerjahren vor. Sie garantieren die Rechte, die jedem Einzelnen durch die Unterzeichnung der Menschenrechtskonvention des Europarats im November 1950 in Rom zugesichert wurden. Heute schaut der Europarat zusammen mit den Vertretern der Mitgliedstaaten auf dem Römer Kapitol zurück auf diesen Grundrechtskatalog, der von der internationalen Jurisprudenz als «Meisterstück» gepriesen wird. Nur 18 Monate benötigte der 1949 als erste europäische Institution gegründete Europarat, der sich dem «Schutz und der Fortentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten» verpflichtete, für die Schaffung dieses in der Welt einmaligen Schutz- und Kontrollsystems, dessen Einfluss weit über Europa hinaus spürbar ist. Die Väter der Konvention trafen sich am 4. November 1950 zur feierlichen Unterzeichnung im Palazzo Barberini zu Rom. Heute bauen 800 Millionen Europäer in 41 Staaten, darunter auch die Menschen in den jungen Demokratien des ehemaligen Ostblocks, auf den Grundrechtskatalog. Für dessen Einhaltung hat man dem Europarat den Strassburger Gerichtshof für Menschenrechte angegliedert, bei dem täglich 650 Beschwerdebriefe eingehen. Todesstrafe in der Türkei Die Delegierten - für die Schweiz reiste Justizministerin Ruth Metzler nach Rom - beschäftigten sich gestern damit, wie man die Rechte auch auf nationaler Ebene durchsetzen und besser schützen und den vor zwei Jahren reformierten Gerichtshof funktionsfähiger machen kann. Ihm steht der Basler Luzius Wildhaber als Präsident vor. Italiens Aussenminister Lamberto Dini forderte das europaweite Ende der Todesstrafe. Diese müsse endlich aus den nationalen Verfassungen verschwinden, so Dini. Das zielt auf die Türkei. Dort ist der Henker zwar seit 1984 nicht mehr aktiv, aber am Bosporus hat man sich weder auf ein entsprechendes Protokoll des Europarats geeinigt noch die Kapitalstrafe aus der Verfassung gestrichen. Die Türkei bildet das Schlusslicht in Europa. Italien führt seit langem eine intensive Kampagne: Spitzenpolitiker, Parteien, Medien, Bürgerrechtsgruppen und katholische Basisbewegungen sowie die Privatindustrie machen mobil gegen das staatlich sanktionierte Töten. Auch Papst Johannes Paul II. erhebt immer wieder seine Stimme. Jedesmal wenn in der Welt die Todeszellen in Funktion treten, wird das Wahrzeichen Roms - das Kolosseum - in Trauerbeleuchtung gehüllt. Der Blick richtet sich vor allem auf die USA, die gerne global «human rights» einfordern. Dort wurde in diesem Jahr schon 70-mal auf staatliche Anordnung getötet. In Italien hofft man denn auch mit der europaweiten Abschaffung zum Vorbild für Nordamerika zu werden. So wie der Grundrechtskatalog des Europarats 1978 zum Modell für die amerikanische Menschenrechtskonvention wurde.
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