Berliner Zeitung, 4. November 2000 Flucht der kleinen Bräute in den Tod ISTANBUL - Eine schreckliche Suizid-Welle erschüttert die Menschen in der Türkei - vor allem junge Frauen sind die Opfer. "Der Südosten begeht Selbstmord", titelt eine türkische Zeitung. Die Zahl der Selbstmorde und Selbstmordversuche ist im Südosten des Landes in den vergangenen Monaten dramatisch angestiegen. Allein in den Provinzen Batman, Diyarbakir und Mus versuchten 250 Menschen, sich umzubringen - die Hälfte starb. Erschreckend: Vor allem junge Frauen setzten ihrem Leben ein Ende - in der Stadt Batman 22 von 26 registrierten Selbstmördern. Was lässt diese Mädchen so verzweifeln? "Kinderbräute ziehen den Tod vor", berichtet eine türkische Journalistin. Viele Mädchen werden von ihren Eltern als Kinder an Ehemänner "verkauft" - ohne den Partner je gesehen zu haben. Nach der Hochzeit hagelt es Schläge, leiden die jungen Ehefrauen immens. Die Reporterin von "Turkish Daily News" über das Martyrium der Kinderbräute: "Sie sind oft weniger wert als Kühe!" Eine weitere Ursache der Selbstmord-Welle: Jahrelanger Terror zwischen der verbotenen Arbeiterparei Kurdistans (PKK) und dem türkischen Militär. Die Bevölkerung im Süd-osten der Türkei ist traumatisiert, viele Menschen leiden an Depressionen. Bisher waren Selbstmorde in der Türkei kein Thema, die Zahlen lagen weit unter europäischem Durchschnitt. Doch nun sind Behörden aufgeschreckt. Betreuungsprojekte laufen an, Geistliche bieten Hilfe.
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