DER STANDARD, 9. November 2000 Unangenehme Untersuchungen Türkischer Ministerpräsident setzt Menschenrechtsbeauftragte ab Istanbul - Beim Thema Menschenrechte hat die türkische Regierung offenbar noch keine klare Linie gefunden. Erst vergangene Woche sorgte Ministerpräsident Bülent Ecevit durch eine umstrittene Personalentscheidung für Irritationen: Es wurde bekannt, dass die Vorsitzende der Menschenrechtskommission des Parlaments, Sema Piskinsüt, abgesetzt und durch einen Vertreter des ultranationalistischen Koalitionspartners MHP ersetzt werden soll. Piskinsüt, die Ecevits Partei DSP angehört, hatte heuer durch mehrere Berichte über andauernde Folter auf Polizeistationen wiederholt für Aufsehen gesorgt. Erstmalig erarbeitete unter ihrer Leitung eine offizielle Parlamentskommission eine Übersicht über die Anwendung von Folter im Sicherheitsapparat: Damit wurde die Bagatellisierung der Folter als Ausrutscher einzelner Polizisten widerlegt, und der Innenminister musste die massenweisen Misshandlungen eingestehen. Erst im Oktober hatte Piskinsüts Kommission einen Bericht über Menchenrechtsverletzungen in Batman in der Südosttürkei vorgelegt und darauf hingewiesen, dass Folter auch nach Beendigung der Kämpfe mit der PKK weiter angewandt wird. Wie sich die MHP die weitere Arbeit der Parlamentskommission vorstellt, kündigte deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Ismail Köse an: Bei den Menschenrechten in der Türkei, so meinte er, gäbe es keine großen Probleme. Stattdessen werde sich der Ausschuss künftig mit den Menschenrechtsverletzungen an Türken und Muslimen in Bosnien, Tschetschenien und anderswo in der Welt befassen. (jg)
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