junge Welt, 16.11.2000

Ein langer Weg

Über Ursachen des Rechtsextremismus und Ausgangspunkte seiner Bekämpfung. Von Kurt Pätzold (*)

Deutschland macht im Herbst 2000 einen aufgescheuchten Eindruck. Entlang ideologischer und politischer Linien werden Kontroversen ausgetragen. Stichworte bezeichnen sie: Rentenreform, Zwangsarbeiter, NPD-Verbot, Einwanderungsgesetz, »Leitkultur«, Deutschlandliebe. Im Land gehören Gewalt gegen Fremde, Behinderte - wie jüngst in Eberswalde -, Alte und Schwache, Obdachlose und zufällige Passanten auf Straßen zum Alltag. Der Vorsitzende des Zentralrates der Juden fragte, ob sich in diesem Staate die Gründung weiterer Gemeinden empfehle. Bei vielen der mehr als sieben Millionen Migranten wuchsen Ängste. Die praktische Erfahrung des Geschehens ist in der deutschen Bürgerschaft ungleichmäßig verteilt. Wer von seiner Garage zum Parkplatz seiner Arbeitsstelle fährt, in Berlin keinen S- Bahnzug benutzt, nie über einen Ort wie den Alex geht, muß Obachlose, Arme, Alkoholkranke nicht bemerken. Rundfunk und Fernsehen unterrichten meist schonend. In Zeitungen gehören Meldungen über tätliche Angriffe mit politischem Hintergrund, geschändete Synagogen, Friedhöfe, Denkmäler und Gedenktafeln meist ins Kleingedruckte.

Bei der Frage, woher die brutale Gewalttätigkeit rührt, herrschen Rätselraten oder absichtsvolle Mißinterpretation. Kräfte, die diskutable Antworten anbieten könnten, führt niemand zusammen. Gern wird nach Ursachen im untergegangenen Staat gekramt. »Wie antisemitisch war die DDR?« lautet eine beliebte Frage. Kein Argument rückt den ostdeutschen Staat in vieler Augen näher an die Nazidiktatur als der Antisemitismusvorwurf. Auch in puncto ihres Verhältnisses zu Eingewanderten und Asylsuchenden seien die Neubürger nicht unbescholten. Jedoch: Im dritten Quartal 2000 wurden laut Bundesregierung 291 antisemitische Straftaten verübt (157 im zweiten Quartal); davon 50 in Baden- Württemberg, 47 in Niedersachsen, 36 in Nordrhein- Westfalen, 33 in Hessen.

Sündenliste der DDR

Für die DDR läßt sich unschwer eine Liste zusammenstellen, die das Auseinanderklaffen von Wirklichkeit und internationalistischem Anspruch feststellt. Die Integration der Vertragsarbeiter war nicht gelungen. Konflikte, die sich aus ihrem Hiersein ergaben, wurden nicht thematisiert. Familiengründungen von vietnamesischen Arbeiterinnen und Arbeitern wurden verhindert, ständiges Bleiberecht nicht diskutiert. Auch auf ideologischem Feld ließe sich eine Sündenliste schreiben. Antipolnische Töne wurden benutzt, wenn sie ins politische Konzept paßten. In der nationalen Erbe- und Traditionspflege gab es Überschießendes. Ein redlicher Blick in die Geschichte wird aber zugleich festhalten, daß den roten Zahlen schwarze gegenüberstanden.

Davon sprachen auch Befragungen nach dem Untergang der DDR. Die ostdeutschen Neubürger schnitten in Fragen von Internationalismus und Nationalismus, des Verhältnisses zu Migranten und Juden erheblich besser ab als jene, die in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gelebt hatten. Inzwischen haben sich die Zahlen auf dem Niveau der politischen Leitkultur angeglichen. Zudem bieten die ostdeutschen Länder stärker noch als die westdeutschen ein Bild politisch motivierter Gewalttätigkeit gegen Personen und Sachen. Gefragt werden muß, woher feindliche Ablehnung und blutiger Haß rühren. Die entscheidende Prägung vieler Untäter im Osten stammt nicht mehr aus DDR-Jahren, in denen sie nur ihre früheste Kindheit verbrachten. Im folgenden sollen vor allem Faktoren erörtert werden, die zwischen Ostsee und Thüringer Wald das »Aufholen« bewirkten.

Entwertung und Anpassung

1. Dort vollzog sich nach 1990 ein Wandel, der alle Bereiche der Gesellschaft erfaßte und alle Bürger betraf. Er war tiefgreifender als die Veränderungen in der deutschen Geschichte seit Generationen. 1871 gerieten die Deutschen in einen größeren Staat, nicht aber in eine neue Gesellschaft. Gleiches galt für die Revolution von 1918 und die Gegenrevolution von 1933. 1990 hingegen optierte ein Parlament nicht nur für den Beitritt zu einem anderen Staat, sondern für die Rekapitalisierung, den Abriß der realsozialistischen Zustände.

2. Dieser Wandel löste unter Millionen ostdeutscher Bürger Prozesse der Anpassung aus. Getrieben von Sorge, wie sie unter den neuen Verhältnissen leben könnten, griffen - nicht ohne Gegentendenzen, aber galoppierend - Entsolidarisierung, Individualismus und Egoismus um sich, die Eingliederung in die »Ellbogengesellschaft«. Gelerntes und Angewöhntes aus DDR-Zeit taugten nicht länger. Ängste vor tatsächlicher oder auch nur eingebildeter Bedrohung, vor allem aber als Folge von Arbeitslosigkeit und einem Absturz in ungesicherte, ärmliche Verhältnisse bewirkten charakterliche Veränderungen. Selbst das Bundesarbeitsministerium stellt in einer Studie fest, daß in Deutschland Reichtum und Armut immer weiter auseinanderklaffen.

3. Die Veränderungen wurden nicht nur in den einzelnen Gruppen der in Auflösung befindlichen DDR-Gesellschaft unterschiedlich erlebt, sondern auch zwischen den Generationen. Binnen kurzem erschien Jüngeren entwertet, was die Älteren in Jahrzehnten geschaffen hatten, ihr Weg stellte sich als »verlebtes« Leben dar. Dies war mit einem - auch beispiellosen - Autoritätsverlust der älteren Generationen verbunden. Nicht nur deren früheres Denken und Verhalten wurde in Frage gestellt. Die von Kindern tagtäglich gemachte Beobachtung eines neuen Verhaltens von Eltern, Großeltern, Lehrern, Bekannten in den sich überstürzenden Ereignissen, das opportunistisch war oder gewertet wurde, tat ein übriges.

4. Der Generationskonflikt spielte sich auch in Schulen zwischen Lehrern und Schülern ab. Der für die Ausbildung der Heranwachsenden wichtigste Teil der Intelligenz war selbst verunsichert, nicht selten besorgt um den Arbeitsplatz, Überprüfungen ausgesetzt, wurde mit »Verbeamtung« gelockt und geknebelt. Nirgendwo, auch in den Schulen nicht, sollten sich DDR-Bürger mit Herkunft, Existenz und Untergang ihres gewesenen Staates abwägend auseinandersetzen. Verlangt war, ihn zu verdammen und damit doch auch ein Stück oder das Ganze der eigenen Biographie. Aktuell melden Potsdamer Psychologen, daß ein Drittel der eine knappe Million umfassenden Lehrerschaft sich als beruflich ausgebrannt einstuft, wobei die Klagenden in den Ländern Brandenburg und Sachsen-Anhalt besonders zahlreich seien.

Ohnmacht und Verlassenheit

5. Die Veränderungen im Osten erfaßten die einzelnen Regionen mit ungleicher Härte. Das gilt für die Arbeitslosigkeit, die Aussichtslosigkeit einer Besserung in absehbarer Frist, den Verfall und die Beseitigung von Einrichtungen der Freizeit und Kultur, für das Zerreißen sozialer Bindungen und Kontakte. Kürzlich bewerteten Delegierte der im Deutschen Bundesjugendring zusammengeschlossenen Organisationen den Zustand der Jugendeinrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern als besonders kritisch, die - im Unterschied zu westdeutschen Stätten - zu einem erheblichen Teil mit ungeschultem, befristet eingestelltem Personal arbeiten würden. In Mecklenburg- Vorpommern stehen 150 hauptamtlichen Jugendarbeitern 2 000 befristet Tätige gegenüber. In Berichten über Gewalt- und Schandtaten tauchen die Namen mancher Kleinstädte immer wieder auf, in denen sich Massenarbeitslosigkeit und Öde des öffentlichen Lebens überlappen. Die Abwanderung vieler geistig aktiver und charakterstarker junger Leute aus diesen Städten und Regionen »nach dem Westen« verschlechtert die Situation zusätzlich.

6. Je länger desto mehr breiteten sich unter denjenigen Ostdeutschen, die euphorisch »in die Einheit« taumelten, Enttäuschung, Ablehnung, Ohnmachtsgedanken, Verlassenheitsgefühle aus und erzeugten bei vielen Älteren Resignation, gehäufte Krankheitsbefunde, bei anderen Flucht in Betäubungsmittel vom Dauerfernsehen bis zum Alkohol.

Die verwandte Reaktion Jüngerer ist der Versuch, eigenen Mißerfolg durch Inanspruchnahme der Erfolge anderer (z.B. in Sportstadien) zu kompensieren oder »Erfolg« durch öffentliche oder geheime Proteste zu erlangen. Dabei sind für manche Personen und Gegenstände ihrer »Erfolge« vollkommen gleichgültig. Derart wird Befriedigung gewonnen, entstehen Überlegenheitsgefühle gegenüber Opfern und Älteren, den Untätigen, wird gegen das triste Dasein blutig getrotzt. Diese Proteste drücken nicht nur Aufruhr gegen materielle Lebensbedingungen aus, sondern auch das Mißvergnügen an Gesundbeterei und Verlogenheit.

Ächtung des Antifaschismus

7. Die Richtung dieser Proteste verlief nicht zufällig nach »rechts«. Der Untergang der DDR hat alle »linken« Projekte zur Lösung der Menschheitsprobleme, die sich seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts schürzten und derzeit eine neue Qualität annehmen, nachhaltig diskreditiert. Mit ihnen scheint sich angesichts der uf »Stalinismus« und »Diktatur« verkürzten Erfahrung nichts bessern zu lassen. Neue Hoffnungen wurden nun an jene geknüpft, die als »Sieger der Geschichte« erschienen und ihren Reklameapparat einsetzten, die neue »Geschichtsphilosophie« zu zementieren. Erst beides, der Untergang des Realsozialismus und dessen Ausdeutung, hat die Ohren nicht nur für die Offerte des Neoliberalismus geöffnet, sondern auch für die Propaganda nationalistischer und »nationalsozialistischer« Ideen, für Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Dies wurde verstärkt durch das Zerrissensein der Linken, die um Programm, Strategie und Taktik streitet. Weitere Impulse gingen von der Politik der regierenden Sozialdemokratie und der »Grünen« aus.

8. Die Mißachtung der antifaschistischen Hinterlassenschaft der DDR, der Versuch, Antifaschismus auf eine Ideologie und Politik herabzustufen, die einzig der Befestigung »kommunistischer« Herrschaft dienten, wollte gewiß »nur« den bereits der Geschichte angehörenden Staat auch moralisch demontieren und historisch delegitimieren. Die Beseitigung des Andenkens an deutsche und an Antifaschisten anderer Länder in öffentlichen Räumen, die Diffamierung von kommunistischen Antifaschisten als Häftlingsfunktionäre in KZ und Vernichtungslagern, die Entfernung einschlägiger Literatur aus öffentlichen Bibliotheken usw. schufen indessen Freiräume, in die neofaschistische antisozialistische Agitation (gegen »die Zecken«), hineinstoßen konnte.

9. Ähnliche Wirkung ging vom Umgang mit der wissenschaftlichen und künstlerischen DDR-Intelligenz aus, die Anteil daran besaß, daß sich im Osten antifaschistische Überzeugungen verbreiteten. Die Zerschlagung von Verbänden der Künstler, die Liquidierung von Verlagen und Redaktionen oder deren Umprofilierung, die »Abwicklungen« beschnitten den Aktionsradius von Menschen erheblich, die sich antifaschistisch engagierten. Deren Rolle hätten Philosophen, Historiker und andere Hochschullehrer, die auf die Plätze der Entfernten berufen wurden, übernehmen können. Die veränderte Situation machte kürzlich ein Kongreß der Historiker klar. Die erst nachträglich ins Programm genommene Veranstaltung über einen denkbaren Beitrag zum Kampf gegen den Rechtsextremismus ging ohne hörbaren Ruf an die Öffentlichkeit aus.

10. Die kapitalistische Gesellschaft demonstriert im Alltag fortgesetzt Kampf und Gewalt, angefangen bei der Konkurenz um Arbeitsplätze, über die Verherrlichung der Gewalt in Film und Medien bis hin zum Polizeieinsatz gegen autonome Antifaschisten, die Rechtsextremen die Straße streitig machen. In dieses Umfeld von Brutalität gehört auch die Darbietung einer Sexualität, die - bar jeder Erotik - Reklame, Ablenkung, Betäubung bezweckt.

Ausflüchte statt Analyse

Auf diesem Boden entstand jene Kette von Untaten, die uns Tote, Verkrüppelte und Verwundete beklagen und fordern lassen, diesem Treiben mit allen Mitteln ein Ende zu machen. Diese Mittel können weder gefunden noch erprobt werden, solange statt einer Analyse des Woher Ausflüchte geboten werden. Locker geht Politikern und Funktionären die Phrase über die Lippen, wonach jungen Ostdeutschen »Vertrauen und Erfahrungen im Umgang mit Demokratie« fehlten und dies zu den wichtigsten Ursachen des »Rassismus im Osten« zähle. Könnte es nicht umgekehrt sein, daß »Erfahrungen mit der Demokratie« zur Ursache für die Ablehnung der folgsamen Einordnung in den Hauptstrom geworden sind?

Nun ruft der Staat die Bürger und heißt sie, ihr Gewissen aufstehen zu lassen. Bürger wiederum rufen nach dem Staat, von dem sie Abhilfe verlangen. Geschwollene Formulierungen wie die »Selbstverteidigung der bürgerschaftlichen Demokratie« sind in Umlauf. Vorsatz und Ratlosigkeit, Entschlossenheit und Zaudern, Programmatik und Beliebigkeit vermischen sich. Nun erfolgte am 9. November 2000 ein Zusammengehen von politisch unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Kräften. Manche schlossen sich spät an. Die Interessen waren nichts weniger als einhellig. Gut gewählt war der Tag. 1938 hatten Millionen Deutsche untätig zugesehen, wie eine Minderheit Juden drangsalierte, beraubte, umbrachte. Das kann Denkanstoß sein, ergibt aber kein brauchbares Aktionsprogramm zur Eindämmung des Rechtsextremismus.

Manches an diesem Tage war auch Nebel und anderes Kalkulation. Innenpolitische Zustände vermögen Geschäftsinteressen zu schädigen. So kamen auch jene in den Zug, kaum in persona, deren Widerstand gegen die Zahlungen an Zwangsarbeiter Fremdenfeindlichkeit gegen insgesamt 1,5 Millionen Menschen bekundet. Heuchelei war im Spiele. Wenn der Tag also nicht einzig beweisen soll, daß die Antinazis zahlreicher sind als die Nazis, dann ist gefordert, daß alle Beteiligten beim Wort, beim Einfluß, bei ihren materiellen und finanziellen Möglichkeiten genommen werden, damit dem Signal auch die Fahrt folgt. Ein zweifelhaftes Bild, solange Schienen nicht verlegt sind und ein Fahrplan - ein Aktionsprogramm - fehlt. Dafür mangelt es nicht an Vorschlägen und Erfahrungen. Täglich unternehmen Gruppen, Kreise, Zirkel und Organisationen, was sie für richtig halten und gegen den Rechtsextremismus ausrichten können.

Tausende Menschen treten hervor, verwenden darauf ihre Freizeit. Müssen sie nicht darüber reden, warum ihre Anstrengungen bisher so wenig fruchten? Doktern sie an Symptomen herum? Müssen sie nicht ihre Aktivitäten korrigieren und jene, die über andere Kräfte gebieten, drängen, sich und sie einzusetzen?

Gegenoffensive

Der Kampf gegen den Rechtsextremismus muß als Auseinandersetzung mit einer Erscheinung geführt werden, die von dieser Gesellschaft hervorgebracht wurde und von ihr genährt wird. Sie kann also aus ihr nicht herausgebracht werden, ohne gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern, ohne daß Politiker sich korrigieren. Die Auseinandersetzung gewinnen zu wollen, ohne von Gebrechen unserer sozialen Zustände zu reden, ohne Konzept gegen die Arbeitslosigkeit ist weniger als halbherzig. Denn: Wie immer auch die Faktoren beurteilt werden, die den Boden für rechtsextreme Haltungen und Untaten abgeben, von Arbeits- und der mit ihr einhergehenden Perspektivlosigkeit kann nicht abstrahiert werden. Die amtliche Arbeitslosenziffer für Oktober nennt 3 611 000 Personen (Rate: 8,9 Prozent, 16,1 Prozent im Osten). Es wird erklärt, 3,62 Millionen werde die Durchschnittsarbeitslosigkeit auch im Jahre 2001 betragen. Diesen Zusammenhang feststellen, bedeutet nicht, Maßnahmen, die den Rechtsextremismus eindämmen, erst als Ergebnis überwundener kapitalistischer Zustände zu erwarten.

Aktionsbündnis gebraucht

Die deutsche Gesellschaft von Herrschenden und Beherrschten, Steinreichen und Bitterarmen wird auf Dauer sowohl mit Arbeitslosen wie mit Menschen leben, die extrem reaktionäre Projekte verfechten. Die Frage ist, in welchem Ausmaß sie beides hinnehmen wird. Noch besitzt sie Mittel der Abwehr. Deren Mobilisierung hängt nach allen Erfahrungen jedoch davon ab, ob sich in ihr Kräfte finden, die sich für eine Gegenoffensive einsetzen: im Staat, in Parteien und anderen Organisationen, gegebenenfalls gegen deren unwillige oder zaudernde Führer, an Arbeitsplätzen, in aller Öffentlichkeit. Bei Zuständigkeit aller Bürger, die sich den demokratisch Gesinnten zuzählen, bleibt Verantwortung unterschiedlich verteilt. Folglich muß sich mobilisierender Druck in Richtungen entwickeln, wo Macht- und Einflußmittel konzentriert sind.

Gebraucht wird ein von gesellschaftlichen, staatlichen, kirchlichen und privaten Teilnehmern vereinbartes Aktionsbündnis, mit einer Prioritätenliste von Maßnahmen und ausgestattet mit finanziellen Mitteln. Gebraucht wird eine Haltung, die niemanden ausgrenzt, der sich an der Arbeit - es handelt sich um Arbeit - beteiligen will. Gebraucht wird die Einsicht, daß es sich um beharrlich zu unternehmende Anstrengungen handelt. Was tief verwurzelt ist, läßt sich nicht (wie in der Landwirtschaft) durch die einmalige Gabe eines scharfen Gegenmittels beseitigen. Gebraucht wird permanenter Erfahrungsaustausch. Häufig wird das Vorgehen über Versuch - Irrtum - Fehlschlag - neuer Versuch verlaufen. Gebraucht wird ein über Staatsgrenzen reichender Vergleich von Erfahrungen, etwa über die Grenze zu Polen, wo antifaschistische Jugendliche in einer »Chronik faschistischer mtriebe« seit 1990 bisher 50 Tote und 16 000 Überfälle, Schlägereien und ähnliche Vorkommnisse verzeichneten, zu der die Polizei eine eigene Gegenrechnung nicht vorgelegt hat. Vor uns liegt ein langer Weg. Es ist notwendig, sich über seine Beschaffenheit und seinen Verlauf ins Bild zu setzen.

(*) Der Text geht - thesenhaft verkürzt - auf einen im November 2000 gehaltenen Vortrag zurück